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viel zu hoch von unserem deutschen Aerztestand, um glauben zu können, dass er sich zum Theil aus Weiberverächtern und Schwachköpfen rekrutire.

[Kurze Inhaltsangabe.]

Leider giebt es genug thörichte, unkultivirte Weiber, auf die solche Characteristik passt. Wem wären sie noch nicht über den Weg gelaufen? Doch man höre Herrn Möbius nun weiter.

Wie das Weib eben geschildert wurde, so ist es nicht nur, sondern so muss es sein und so soll es bleiben, denn so hat es die Natur gewollt. Es hat nur die einzige Bestimmung, dem Manne Kinder zu gebären, sie zu pflegen und zu warten.

Man kann wohl die Meinung haben: das Weib soll gesund und natürlich sein, ungelehrt, unverbildet und von kräftigen Instinkten, damit es ein Gegengewicht bilde für die Kulturentartung des Mannes, da der zu den höchsten Dingen ausersehene Mann eine intensiv mit der Natur verwachsene, triebhaft sichere Genossin gleichsam als das ihn am Mutterboden festhaltende Schwergewicht nöthig habe. Ich verstehe diese Männersehnsucht vollkommen. Doch so, wie Möbius das natürliche Weib darstellt, ist es weder gesund noch angenehm noch förderlich und ganz sicherlich nicht einer der grossen, schönen Gedanken der Natur.

Ist das Weib wirklich so, wie Möbius sagt, so ist es ein minderwerthiges, gefährdendes, widerwärtiges, entartetes Geschöpf, entartet durch eine einseitige Männerkultur. Dann wäre es das einzig Rechte, eine gründliche Umgestaltung der bisherigen, so unvortheilhaft wirkenden Stellung des Weibes anzustreben, und jeder Versuch und jeder Weg, der dahin führen könnte, wäre berechtigt. Doch hören wir Möbius weiter.

Die Natur verlieh dem Weibe eine ganz kurze körperliche und geistige Blüthezeit zum Zweck des Gattenfanges. Ist dieser Zweck erreicht, so verfällt es körperlich und geistig. Es wird hässlich, es wird stumpfsinnig. Alte Weiber sind von je her – und natürlich nicht ohne Ursache – Gegenstand des Spottes, ja des Hasses gewesen. Sie sind nicht etwa schlechter als die jungen; aber da kein Jugendreiz mehr über ihre Bosheit und Dummheit täuscht, zeigt sich diese unverhüllt und nimmt lächerliche Formen an. Die geschlechtliche Differenzirung ist beim Menschen viel grösser als beim Thier, weil das Kind länger hilflos bleibt als irgendein Thierjunges.

Unsere Männerwelt hat sich sehr entrüstet über Helene Bölaus[1] Roman „Halbthier“, in dem die Farben allerdings etwas stark aufgetragen schienen. Wenn man aber einen Möbius hört, muss man bekennen, dass Frau Bölau noch sehr maassvoll gewesen ist in ihrer Characteristik einer bestimmten Klasse von Männern und deren Auffassung des Weibes.

Das Weib hat also nach Möbius diese Bestimmung: einen Ehemann zu erobern, Kinder zu gebären, sie zu pflegen und dann körperlich und geistig aufzuhören, lange vor dem Tode.

Das Weib wird bekanntlich im Durchschnitt älter als der Mann. Siebenzig bis sechsundsiebenzig Jahre sind kein ungewöhnliches Alter. Nehmen


  1. Sie heisst Böhlau.
Empfohlene Zitierweise:
Paul Julius Möbius: Über den physiologischen Schwachsinn des Weibes. 5. veränderte Auflage. Marhold, Halle a. S. 1903, Seite 98. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_%C3%9Cber_den_physiologischen_Schwachsinn_des_Weibes_(M%C3%B6bius).djvu/98&oldid=- (Version vom 31.7.2018)