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Der Verfasser trägt eine Reihe noch nicht ganz sicher erwiesener Behauptungen zu apodictisch vor und ist an manchen Stellen in seiner Kritik zu scharf. Er ist z. B. zu pessimistisch hinsichtlich der Entwicklungsfähigkeit des Weibes auf geistigem Gebiete. Es bleibt doch noch abzuwarten, ob nicht durch bessere Schulung der Urtheilskraft und durch anderweitige zweckmässige und dabei massvolle Reform des Mädchenschulunterrichts der Grad des physiologischen Schwachsinnes des Weibes sich ohne Gefährdung des Gehirns wesentlich verringern liesse, und ob nicht durch eine Erweiterung und Vertiefung der geistigen Interessen das Weib der ihm frühzeitiger drohenden „geistigen Myopie“ vorbeugen könnte und sich länger wie bisher die geistige Frische bewahren würde.

Diese Mängel sind nicht geeignet die Vorzüge der Abhandlung zu verdunkeln. Es spricht zu uns ein ernster und erfahrener und um die Wissenschaft sehr verdienter Arzt, der uns ausdrücklich versichert (s. o.) nicht provoziren zu wollen und der gewiss keinen Gefallen daran findet, auf einem besonders extremen Standpunkt zu stehen. Er erblickt in der „Vermännlichung“ des weiblichen Gehirns ein Unglück für die Gesundheit und die Fortentwicklung des Volkes, und seine eindringliche Warnung muss uns zu ernstem Nachdenken anregen. Gerade an uns Aerzte richtet Möbius den Appell im Interesse des menschlichen Geschlechtes, hier zu rathen und zu warnen.

Freund (Breslau).


f) Frankfurter Schulzeitung, Frankfurt a. M., 1. November 1902.

Unter „physiologischem Schwachsinn“ versteht M., der bekannte Leipziger Nervenarzt, die geistige Inferiorität einer Menschengruppe im Vergleiche mit anderen Gruppen. Er sucht nachzuweisen, dass ebenso, wie das weibliche Gehirn kleiner und einfacher als das männliche ist, auch der weibliche Geist unter dem männlichen steht und dass die Natur aus höheren Absichten dem Weibe die Geisteskraft des Mannes versagt hat. Weil das Kind jahrelang in hohem Grade hilfsbedürftig bleibt, musste der Unterschied zwischen den Geschlechtern beim Menschen viel grösser sein, als bei den oberen Tieren. Das Weib soll vor allem Mutter sein, es war aber unmöglich, energische Gehirnthätigkeit und vollausgebildete Mutterfähigkeiten in einem Individuum zu vereinigen. Diese werden geschädigt, sobald das Gehirn zu männlichen Leistungen getrieben wird.

„Von der Parteien Gunst und Hass verwirrt, schwankt sein Characterbild in der Geschichte“ kann man auch von dem Verfasser sagen, den das schwächere Geschlecht, welches bekanntlich ebenso stark im – Lieben wie im Hassen ist, in die Hölle verdammt hat: Es sind starke Uebertreibungen, die sich M. in seinem Buche zu schulden kommen lässt. Aber man darf das Eine dabei nicht vergessen – den Zweck des Buches, die Absichten des Verfassers. Er will kein Weiberfeind sein und ist auch keiner. Wer M. als den gemüthvollen Menschen und als den geistreichen feinsinnigen Schriftsteller aus persönlichem Umgange und aus seinen zahlreichen Werken

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Paul Julius Möbius: Über den physiologischen Schwachsinn des Weibes. 5. veränderte Auflage. Marhold, Halle a. S. 1903, Seite 90. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_%C3%9Cber_den_physiologischen_Schwachsinn_des_Weibes_(M%C3%B6bius).djvu/90&oldid=- (Version vom 31.7.2018)