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wenn entweder die materielle oder die geistige Noth dazu treibt, aber sie ist selbst Noth, weil sie aus Noth entsteht. Die dagegen, die „um der Freiheit willen“ oder sonst ans Princip das weibliche Gehirn überreizen, treiben ein schändliches Spiel. Dass die Vff. dies, wenn auch mit schwerem Herzen, anerkennen, das gereicht ihnen zur hohen Ehre. Es mag ihnen deshalb nicht verübelt werden, wenn sie durch den „unersetzlichen Culturwerth“ der weiblichen Arbeit das Bedenkliche gerechtfertigt sehen. Es ist begreiflich, dass sie von den Leistungen ihrer Schwestern so gut wie möglich denken, wie sie denn auch mit dem Worte „genial“ äusserst freigebig sind, aber in Wahrheit ist es mit dem unersetzlichen Culturwerthe so[WS 1]. Wirklich unersetzlich sind nur die Schauspielerinnen und die Sängerinnen. Dass die weiblichen Maler, Bildhauer, Gelehrten unersetzlich wären, wird kein Verständiger behaupten wollen. Bleibt also nur die Poesie, und zwar, da die eigentlichen Dichterinnen rarissimae aves sind, die Romanschreiberei. In der That hört man immer wieder, dass die Gefühle und Gedanken des schreibenden Weibes etwas ganz Eigenartiges („geheimnissvolle Welten“) seien. Jedoch, so anmuthig viele Frauen-Bücher auch sind, etwas Neues, Unentbehrliches wird man bei ihnen vergebens suchen. Die Vff. scheinen z. B. G. Sand für unersetzlich zu halten, aber es wäre wirklich kein Schade, wenn diese von Grund aus ungesunden Bücher nicht existirten.

Möge die gewissenhafte Arbeit der Vff. gute Früchte bringen. Möge der Nachweis, wie schwer es auch den geistig am besten ausgestatteten Mädchen und Frauen, dieser unendlich kleinen Minorität, geworden ist. Mannesarbeit zu thun und doch Mutter zu sein, möge er der Masse der Mittelmässigen als Warnung dienen.

Ganz neuerdings ist ein dickes Buch über die „Frauenfrage“ von Lily Braun erschienen[1]. Es ist mit grossem Fleisse und viel Besonnenheit geschrieben. Die Verfasserin beweist im Einzelnen ein klares Urtheil und weist viele der unsinnigen Feministen-Behauptungen als lächerlich oder übertrieben


  1. Die Frauenfrage, ihre geschichtliche Entwickelung und ihre wirtschaftliche Seite. Leipzig. S. Hirzel 1901. Gr. 8°. XIL u. 557 SS.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: zweimal so
Empfohlene Zitierweise:
Paul Julius Möbius: Über den physiologischen Schwachsinn des Weibes. 5. veränderte Auflage. Marhold, Halle a. S. 1903, Seite 77. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_%C3%9Cber_den_physiologischen_Schwachsinn_des_Weibes_(M%C3%B6bius).djvu/77&oldid=- (Version vom 31.7.2018)