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und in der ihm angemessenen Thätigkeit ist seine Geduld gross genug. So ist es auch mit den übrigen „weiblichen Tugenden“. Steckt die Liebe dahinter, so wird es etwas Gutes. Sonst aber kommen kleine verneinende Tugenden heraus oder gar schlechtweg Verneinungen. Alle Eltern wissen, dass Töchter leichter zu erziehen sind als Söhne, aber sie halten jene darum nicht für moralischer als diese. Im Leben ist die Sache klar, aber in der Literatur hört der gesunde Menschenverstand auf. Man hat ein Recht, die weiblichen Vorzüge zu preisen (und die Männer haben das jederzeit redlich gethan), aber man rede vom Nützlichen, Anmuthigen, Rührenden, spiele sich nicht immer auf das Moralische hinaus.–

Nun will ich noch ein paar Worte sagen über einige Bücher, die ich neuerdings kennen gelernt habe. Ein wackerer Kämpfer ist F. Bettex[1], ein Schweizer, der in Stuttgart lehrt. Er setzt die Unterschiede der Geschlechter sehr gut auseinander und leuchtet den Faselhänsen, den Feministen, kräftig heim. Freilich ist sein Ausgehen von Bibelworten nicht nach jedermanns Geschmack, und ich kann ihm auch sachlich nicht in allem folgen.

Die wichtige Frage, inwieweit die Mutterschaft sich mit geistiger Arbeit des Weibes vertrage, haben Adele Gerhard und Helene Simon[2] in anerkennenswerther Weise untersucht. Sie haben einerseits die Biographieen studirt, andererseits eine grössere Zahl von weiblichen Personen, die in einem der sogen, höheren Berufe arbeiten, um schriftliche Aeusserung gebeten. Im Einzelnen haben sie die Mutter als Schauspielerin, als Musikerin, als Malerin, als Dichterin, als Gelehrte, als Agitatorin und Journalistin betrachtet. Von 420 „Experten“, die genaue Angaben gemacht haben, waren 156 unverheirathet, 264 verheirathet. Kinderlos waren 213 (das sind die Unverheiratheten, die Frauen ohne Kinder und die, die nur todte Kinder geboren hatten). Mutter waren 207. Mehr als ein lebensfähiges Kind hatten 147 geboren. [Diese Angabe ist ungenügend; man müsste wissen, wie viele Kinder auf die


  1. Mann u. Weib. Bielefeld u. Leipzig 1900. 2. Aufl. 8°. 219 S.
  2. Mutterschaft und geistige Arbeit. Berlin 1901. G. Reimer, gr. 8°. IX und 333 SS.
Empfohlene Zitierweise:
Paul Julius Möbius: Über den physiologischen Schwachsinn des Weibes. 5. veränderte Auflage. Marhold, Halle a. S. 1903, Seite 75. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_%C3%9Cber_den_physiologischen_Schwachsinn_des_Weibes_(M%C3%B6bius).djvu/75&oldid=- (Version vom 31.7.2018)