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das starke Individuum gefördert, das schwache geschädigt. Nun kann der Noth die Freiheit nicht abhelfen, sondern hier brauchen wir Gerechtigkeit und Liebe. Indessen thatsächlich ist doch das Verlangen nach Besserung der Lebensverhältnisse immer mit dem nach Freiheit verbunden worden, und auch in der weiblichen Bewegung hat der Liberalismus die Führung übernommen, so dass die nach Gerechtigkeit Strebenden sich für verpflichtet hielten, vor allem nach Freiheit zu rufen. Endlich muss ich noch auf ein eigenthümliches psychologisches Verhalten hinweisen, das die Suggerirung des Freiheitgedankens bei dem Weibe erleichtert. Die Jungfrau wird von der Natur über ihre Triebe in Unklarheit erhalten. Das Widerstreben gegen den Mann, die Abweisung der Sinnlichkeit erscheinen dem Bewusstsein der Jungfrau als unbedingt und dauernd, obwohl sie ihrer Natur nach vorübergehend und im Grunde nur Schutzmaassregeln sind. Je besser ein Mädchen ist, um so fester ist es davon überzeugt, dass es kein Verlangen nach dem Manne habe, dass jederzeit sein Sinn nur dem Idealen zugewandt sein werde. Ja der Mann, der für dieses reine Streben kein rechtes Verständniss hat und das Mädchen auf seinen Standpunct herüberziehen möchte, erscheint leicht als Feind. So wird es begreiflich, dass gerade hochgesinnten Mädchen das Feldgeschrei: Selbständigkeit des Weibes, Freiheit vom Manne! gefallen wird. Ertönt die Predigt zur rechten Zeit, so muss sie unter den Jungfrauen Anhängerinnen der neuen Lehre finden. Lernen diese später die Liebe kennen, so verfliegt in der Regel der ganze Spuk, die Liebe allein bleibt übrig und das frühere Streben weckt nur noch Lächeln. Kommen vollends Kinder, so werden die geistigen Kinderkrankheiten ganz vergessen. Kommt es jedoch nicht zur Verheirathung, so werden die einmal eingepflanzten Anschauungen in der Regel festgehalten, um so fester, je grösser das Gefühl der Leere ist. Auch in kinderlosen Ehen wird es sich oft nicht anders verhalten. Je hartnäckiger das Freiheitsstreben ist, um so eher wird es auf krankhafte Art schliessen lassen. Manches gesunde junge Mädchen sagt: ich heirathe nicht, ich will frei bleiben. Man weiss ja, wie die Dinge gehen, und lacht dazu. Aber wenn ein Mädchen, obwohl ihr die Liebe entgegengebracht

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Paul Julius Möbius: Über den physiologischen Schwachsinn des Weibes. 5. veränderte Auflage. Marhold, Halle a. S. 1903, Seite 59. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_%C3%9Cber_den_physiologischen_Schwachsinn_des_Weibes_(M%C3%B6bius).djvu/59&oldid=- (Version vom 31.7.2018)