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grimmigem Hohne verspotte. Nun aber musste ich sehen, dass die Leute in der entarteten, halb verrückten Person, die ihre Kinder im Stiche lässt, weil sie sich einbildet, sie müsste ihr erbärmliches Ich ausbilden, eine Heldin erblickten. Das empörte mich und je mehr ich darüber nachdachte, um so abscheulicher und widerwärtiger kam mir die Sache vor. In der That kann die tiefe Unsittlichkeit des Individualismus gar nicht treffender gezeichnet werden, als es durch Nora’s Fortgang geschieht. Einem Weibe, das der Mutterpflicht durch wilde Leidenschaft untreu wird, mag man verzeihen, eine Mutter aber, die ihre Kinder verlässt, weil sie sich nicht gebildet genug vorkommt, ist ein Scheusal oder, wenn man den Gesichtspunkt wechselt, eine Geisteskranke. Nora ist ein Theatergespenst, aber die Bewunderung, die sie gefunden hat, zeigt, dass etwas faul ist im Staate Dänemark. Wie kommt es, dass das Schlechte und Kranke gefällt? Ist das Volk selbst krank, sind unsere Weiber so entartet wie Nora? Ich meine, folgende Auffassung sei richtig. Die widernatürliche Denkart eines beträchtlichen Theiles der Lebenden, vermöge der die individuelle Ausbildung des weiblichen Geistes höher geachtet wird als die Erfüllung des Naturzweckes, ist den geistigen Epidemieen zu vergleichen, ein Massenwahn, eine Suggestion durch eine krafterfüllte Idee. Sie ist also nicht eine eigentliche Geisteskrankheit, aber die Massensuggestion wäre nicht möglich gewesen, wenn nicht eine abnorme Geistesbeschaffenheit ihr den Boden bereitet hätte. Es gilt, zunächst die die Suggestion ausübenden Ideen zu betrachten, dann die Bedingungen ihrer Aufnahme. Die Gedanken, die der sogen. Emancipation des Weibes zu Grunde liegen, sind nicht neu. Im Jahre 1600 z. B. erschien ein Bach der Moderata Fonte, verehel. Giorgi, einer 1555 geborenen, 1592 gestorbenen Venetianerin, Il merito delle donne, in dem sie darthat, dass die Weiber die Männer übertreffen.[1] Indessen in der alten Zeit zündeten solche Gedanken nicht. Es musste erst der Liberalismus zur Herrschaft kommen. Sein Sinn ist die Befreiung des Individuum. Er begann seine Arbeit schon im Mittelalter, wurde im 18. Jahrhundert gross und stark und


  1. Vergl. a. Guillaume, Marie Anne, Que le sexe feminin vaut mieux que le masculin. Paris, 1668.
Empfohlene Zitierweise:
Paul Julius Möbius: Über den physiologischen Schwachsinn des Weibes. 5. veränderte Auflage. Marhold, Halle a. S. 1903, Seite 56. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_%C3%9Cber_den_physiologischen_Schwachsinn_des_Weibes_(M%C3%B6bius).djvu/56&oldid=- (Version vom 31.7.2018)