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noch den weiblichen Stolz verletzen könnte[1], ist der Singular nicht in Misscredit gerathen, man darf sagen: mein liebes Weib, man hängt an Weib und Kind, ja „das Weib“ hat oft einen poetischen Klang, („tödte erst seine Frau“ würde sich im Fidelio weniger gut machen). Dagegen hat die Mehrzahl „die Weiber“ in der Umgangsprache wirklich einen eigenthümlichen Beigeschmack. Wie das gekommen ist, weiss ich nicht. Sollte Ein Weib gefallen, eine grössere Zahl aber weniger angenehme Empfindungen hervorrufen? Jedoch kann man sich aus Rücksicht auf die Umgangsprache nicht den Zwang auferlegen, bei wissenschaftlichen Erörterungen über das Weib den richtigen Plural zu unterdrücken. Es sollen damit doch alle Erscheinungsformen des Weibes zusammengefasst werden, das aber leistet kein anderes Wort. Will jemand, um alle Empfindlichkeiten zu schonen, immer von „Mädchen und Frauen“ reden, so ist das nicht nur recht umständlich, sondern oft auch schief, weil dabei schlechtweg gedacht wird „Noch nicht Verheirathete und Verheirathete“, also wieder gesellschaftliche Beziehungen eingedrängt werden, und weil man bei „Mädchen“ nie weiss, ob der weitere Sinn oder der engere (Kinder und Jungfrauen) gemeint ist. Wir wollen also auch in Zukunft von Weib und Weibern reden und hoffen, dass die unberechtigte Empfindelei aufhören werde.

Wer soll vom Weibe reden? d. h. wer versteht etwas davon? Oder richtiger, da Alle etwas davon verstehen, wer versteht


  1. Ich habe mich bei Gelehrten erkundigt, warum Weib sächlich sei, aber sie konnten mir keine Auskunft geben. J. A. Schmeller (bayr. Wörterbuch) sagt: „Das Weib, wîb, vîf; in den gothischen auf uns gekommenen Resten, wo für γυνη qvinô steht, ist dies Wort nicht zu finden, und vielleicht überhaupt erst später zu dieser ursprünglich wohl figürlichen Bedeutung gelangt, da schon das Genus auf irgend eine früher von ihr verschiedene z. B. auf das Gebäude der Verehelichten, wenn etwa dem bivaibjan ein veiban entsprochen haben sollte, zu weisen scheint“. Andere weisen auf weibôn, wëban, schweben, schwanken, weben, oder auf vip im Sanskrit, innerlich erregt, begeistert sein, hin, wonach also Weib das Bewegliche, oder auch das Begeisterte heissen soll. Merkwürdig ist, dass sowohl in Süddeutschland wie in Niederdeutschland die Bezeichnung „das Mensch“ im Sinne „die Magd“ ganz ohne die üble Bedeutung, die sie bei uns hat, vorkommt. In alten Zeiten gebrauchte man „das Mensch“ auch im Sinne von genus homo, alle Arten von Mensch.
Empfohlene Zitierweise:
Paul Julius Möbius: Über den physiologischen Schwachsinn des Weibes. 5. veränderte Auflage. Marhold, Halle a. S. 1903, Seite 48. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_%C3%9Cber_den_physiologischen_Schwachsinn_des_Weibes_(M%C3%B6bius).djvu/48&oldid=- (Version vom 31.7.2018)