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sondern an ihrer Schwäche zu Grunde gegangen. Ursache der Schwäche aber war in erster Linie der Salon, in dem im Damen-Sinne das Vergnügen als einziges Lebensziel galt, der alles weichlich und weibisch machte. Da wurde Alles zum Spiele und alles Ernste entwürdigt. Die Liebe war ein Spiel, womöglich ohne Folgen; hatte sie doch Folgen, so durften diese wenigstens das Vergnügen nicht mehr stören, als unbedingt nöthig war. Kunst und Wissenschaft waren ein Spiel, ihr eigentlicher Sinn war, Stoff zur Unterhaltung zu geben, und ihre Vollendung war erreicht, wenn sie den Damen mundgerecht waren. Dieses schändliche Treiben ist natürlich nicht auf ein Land oder eine Zeit beschränkt, es war vielleicht vor der Revolution am reinsten ausgebildet, aber es herrscht in gewissem Grade bei uns und überall, wo Reichthum vorhanden ist und ernste Ziele fehlen. Eine faullenzende Gesellschaft fault, und eins der wichtigsten Zeichen der Fäulniss ist das, dass an die Stelle der Mutter die Dame tritt.

Ehrenhafter, aber ebenfalls verderblich ist die englisch-amerikanische Methode, die so genannt wird, weil in den englisch redenden Völkern das Streben nach einem Männergehirn im Weiberkopfe am frühesten Ausbreitung gewonnen hat. Wenn die gute Absicht eine schlechte Sache gut machen könnte, so würde es hier geschehen, denn die Vertreter der englischen Methode arbeiten in der Regel uneigennützig und in dem erhebenden Bewusstsein der guten That auf ihr Ziel los. Ja, es hat etwas Rührendes, zu sehen, wie junge Mädchen auf allerhand Annehmlichkeiten verzichten und ihre Gesundheit zu Grunde richten um des Bildungswahnes willen. Weil die Feministen ihre schädliche Thätigkeit aufrichtig für sehr verdienstlich halten, fahren sie jeden Widersprechenden mit grosser Erbitterung an und sehen in meinesgleichen abscheuliche Finsterlinge, deren Unwissenheit noch ihr geringster Fehler ist. Sie halten sich besonders auch deshalb für berechtigt, weil sie die Beschaffung von Erwerb für nothleidende Mädchen, d. h. die berechtigte Emancipation, mit der Vermännlichung des Weibes, d. h. der unberechtigten Emancipation, zusammen zu werfen pflegen, ein Verfahren, das beim Streiten manche Vortheile bietet. Nimmt man an, die Feministen hätten ihr Ziel erreicht,

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Paul Julius Möbius: Über den physiologischen Schwachsinn des Weibes. 5. veränderte Auflage. Marhold, Halle a. S. 1903, Seite 41. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_%C3%9Cber_den_physiologischen_Schwachsinn_des_Weibes_(M%C3%B6bius).djvu/41&oldid=- (Version vom 31.7.2018)