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das weibliche Gehirn weniger leistet als das männliche, denn er ist oft genug geführt worden, und die Sache ist für den Vorurtheillosen einleuchtend genug, sondern darauf, dass die Inferiorität des weiblichen Gehirns nützlich und nöthig ist. Manche haben die intellectuellen und moralischen Schwächen des weiblichen Geschlechtes stärker als ich hervorgehoben, dabei aber meinen sie, diese hingen von der Sitte ab und seien durch Erziehung zu ändern. Fanny Lewald z. B. gehört hierher[1]. Es scheint zum Wesen der Reformer zu gehören, dass sie die Bedeutung der Willkür überschätzen. Die politischen und die religiösen Neuerer sehen nicht ein, dass die Menschheit mit zur Natur gehört und dass die überall wiederkehrenden menschlichen Einrichtungen mit Notwendigkeit aus dem Wesen des Menschen hervorgehen. Sie glauben, wenn man nur die rechte Einsicht und den guten Willen hätte, dann würde die Welt sich ändern. Sie sehen nicht den wirklichen Menschen, der in der Hauptsache seinen Instincten folgt, sondern sie haben eine Wachspuppe vor Augen, deren Form beliebig verändert werden kann, und hoffen, mit Gesetzen über die Natur zu triumphiren. Solche Phantasten waren die Revolutionäre von 1789, so sind auch unsere heutigen Stürmer und Dränger beschaffen. Wie Leo Tolstoi glaubt, die Menschen könnten Christen in seinem Sinne werden, wenn sie nur wollten, so denken die Feministen durch Gesetz und Erziehung das Weib umzuformen. Es ist geradezu kindisch, die Beschaffenheit des Weibes, wie sie zu allen Zeiten und in allen Völkern vorhanden ist, für ein Ergebniss der Willkür zu halten. Die Sitte ist das Secundäre, nicht sie hat das Weib an seinen Platz gestellt, sondern die Natur hat dieses dem Manne untergeordnet, und deshalb wurde die Sitte. Da alle Bestrebungen, die wesentlichen Unterschiede der Geschlechter zu beseitigen, zu denen der kleine Kopf des Weibes nun einmal gehört, erfolglos sein müssen, so könnte man über sie lachen, wenn sie nicht so viel Elend mit sich brächten. Die im engeren Sinne des Wortes modernen Bestrebungen sind nur ein Theil der Verkehrtheiten, die die sogenannte Civilisation begleiten, Verkehrtheiten, die


  1. F. Lewald, „Gefühltes und Gedachtes“ 1900. Die Urtheile dieser sehr gescheiten Frau über ihre Schwestern sind sehr hart.
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Paul Julius Möbius: Über den physiologischen Schwachsinn des Weibes. 5. veränderte Auflage. Marhold, Halle a. S. 1903, Seite 39. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_%C3%9Cber_den_physiologischen_Schwachsinn_des_Weibes_(M%C3%B6bius).djvu/39&oldid=- (Version vom 31.7.2018)