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Einsicht dient unseren Trieben, wir sind nur dann scharfsinnig, wenn wir unsern Neigungen folgen, das Interesse macht klug. Der eine hat dies Talent, der andere jenes, in dem Fache, das er liebt, ist er tüchtig, in anderen nicht. Das weibliche Talent nun schlechtweg ist die Anlage für Liebesangelegenheiten, hier treibt der Wille den Intellect, schärft und spannt ihn. Alle anderen Angelegenheiten gewinnen eigentlich nur dadurch Bedeutung, dass sie zu dem Hauptgeschäfte in Beziehung gesetzt werden. Wenn die Jungfrau dem jungen Manne begegnet, ist sie in der Lage eines Feldherrn, der dem feindlichen Heere entgegenzieht. Jetzt gilt’s, von wenig Augenblicken kann alles Weitere abhängen. Aber auch ausser Gefecht (um im Militärischen zu bleiben) ist die Jungfrau einer mobil gemachten Truppe zu vergleichen. Sie trägt die Kriegsgarnitur, sie ist jederzeit auf Posten und schlagfertig. Mit anderen Worten: die geistige Erregung giebt sich in allem Thun kund. Das Mädchen ereifert sich für Dinge, die sie gar nichts angehen, interessirt sich, zum Theile allerdings nur dem Scheine nach, zum Theile aber ernstlich, für alle möglichen Sachen, urtheilt, streitet, kurz sie erscheint als geistvoll und in Liebesangelegenheiten oft als genial. Nun heirathet sie und nach kurzer Zeit wird sie eine Andere. Aus dem feurigen, oft glänzenden Mädchen wird eine schlichte harmlose Frau. Natürlich verläuft die Sache nicht immer so, aber doch recht oft. Das Volk hat die Verwandlung in pejus frühzeitig bemerkt und auf seine Weise erläutert. Man nahm an, dass mit der Jungfrauschaft ein Zauber gebrochen werde, dass geheime Kräfte schwinden. Im Nibelungenliede überwindet die Jungfrau Brunhilde jeden Mann; als sie durch Siegfried überwältigt ist, wird sie ein Weib wie andere auch. Aehnliches findet man in den Sagen oft. Im modernen Leben sagt man eher: sie hat’s nicht mehr nöthig, in der Meinung, dass die körperliche und geistige Lebhaftigkeit nur den Zweck gehabt habe, den Mann anzulocken. Auf jeden Fall aber handelt es sich nicht nur um ein Wollen, von dem das Weib Rechenschaft geben könnte. Sie verliert thatsächlich Fähigkeiten, die sie vorher besass, und könnte auch beim besten Willen das nicht mehr leisten, was sie vorher geleistet hat. Nur darüber kann man zweifelhaft sein, ob das Minus an geistigen Leistungen

Empfohlene Zitierweise:
Paul Julius Möbius: Über den physiologischen Schwachsinn des Weibes. 5. veränderte Auflage. Marhold, Halle a. S. 1903, Seite 32. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_%C3%9Cber_den_physiologischen_Schwachsinn_des_Weibes_(M%C3%B6bius).djvu/32&oldid=- (Version vom 31.7.2018)