Seite:De Über den physiologischen Schwachsinn des Weibes (Möbius).djvu/30

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Gesetzes beeinträchtigen[1]. Bedenkt man nun die früher besprochenen Geisteseigenthümlichkeiten des Weibes, besonders die Unfähigkeit, Affectstürmen zu widerstehen, und den Mangel an Rechtsinn, so muss man einsehen, dass es eine grosse Ungerechtigkeit ist, beide Geschlechter mit gleichem Maasse zu messen. Nur die durch die Umstände des weiblichen Lebens leicht erklärbare geringe Criminalität des Weibes lässt die Härte unserer Gesetze nicht empfinden. Je mehr aber das Weib aus dem Schutze des Hauses heraustritt, um so leichter wird sie mit den Gesetzen in Conflict kommen und dann wird sie oft härter bestraft werden, als sie es verdient. Um nur einige Beispiele zu nennen, ist es gerecht, die einfache Beleidigung und bes. die Beamtenbeleidigung bei beiden Geschlechtern gleich zu beurtheilen? Gilt nicht dasselbe von vielen Bagatell-Diebstählen, die im Grunde Näschereien gleich zu achten sind? Insbesondere wäre noch eins zu beachten. Viele weibliche Personen vermögen bei ihren Aussagen über Vergangenes ganz und gar nicht das, was sie wirklich erlebt haben, zu trennen von dem, was sie erlebt zu haben glauben. Solche Erinnerungstäuschungen kommen ja auch bei Männern vor, sind aber bei Weibern viel häufiger und bewirken falsche Aussagen, bei denen jeder dolus fehlt. Zum Theile aus diesem Grunde wurde auf die Zeugenaussagen von Weibern in alten Zeiten wenig oder nichts gegeben. Die Alten übertrieben es nach der einen Richtung, wir übertreiben es nach der anderen, überschätzen das Weib als Zeugin, behandeln sie zu hart als Angeklagte.


II.

Sehen wir uns genöthigt, das normale Weib für schwachsinnig im Vergleiche mit dem Manne zu erklären, so ist damit doch nichts zum Nachtheile des Weibes gesagt. Ihre Vorzüge liegen eben anderswo als die Vorzüge des Mannes und die Differenzirung der Geschlechter erscheint uns als eine zweckmässige Einrichtung der Natur, bei der Mann und Weib nicht schlecht fahren. Betrachtet man aber das Leben des Weibes genauer, so möchte man doch meinen,


  1. Krafft-Ebing u. A. haben wiederholt einschlagende Erörterungen angestellt.
Empfohlene Zitierweise:
Paul Julius Möbius: Über den physiologischen Schwachsinn des Weibes. 5. veränderte Auflage. Marhold , Halle a. S. 1903, Seite 30. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_%C3%9Cber_den_physiologischen_Schwachsinn_des_Weibes_(M%C3%B6bius).djvu/30&oldid=- (Version vom 31.7.2018)