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wird sich ja zeigen. Man lasse sie nur gewähren. Von 100 jungen Mädchen, die man auf die Gymnasien schickt, sind 99 doch froh, wenn sie im Hafen der Ehe landen können, und von 100 jungen Aerztinnen etc. etc. erreicht doch kaum eine Einzige die sechste Null, ohne vollständig mit ihrer Kraft am Ende zu sein.

Warum also, werther Herr, mit Keulen todtschlagen, was von selber abfallen wird, warum der heutigen Culturmenschheit den Sport des Frauenstudiums nicht gönnen? Sie haben in allen Stücken Recht, Sie kennen das Weib aber doch nur schlecht, wenn Sie meinen, die Führerinnen der Sonderbewegung hätten eine starke Armee hinter sich. Es ist nur ein kleines Häuflein geldarmer Mädchen, die sich vor weiblicher Arbeit fürchten oder denen man dies erschwert, oder geldreicher Töchter sogenannt vornehmer Häuser, die sich diesen Sport erlauben können und diese Mode mitmachen wie eine andere. Also, ruhig Blut, lieber Freund!

Der Titel Ihres Werkchens ist, wie ich schon sagte, ein grosser Schlager, dessen Werth Ihrem Verleger wohl bekannt war. Aber warum überzeugen wollen, indem Sie mit einer Ohrfeige anfangen? Die Ausdrücke „Schwachsinn“ und „Weib“ lässt sich die „moderne“ Frau nicht gefallen auch wenn Sie tausend mal Recht damit haben. Ich persönlich würde mich, als ich vor 20 Jahren „Unserer Frauen Leben“ schrieb, gehütet haben, mein Buch „Das Leben des deutschen Weibes“ zu benennen, und mein Verleger würde damals vielleicht auch nicht darauf eingegangen sein. Wenn man den Patienten eine Pille oder Mixtur schlucken lassen will, muss man sie ihm mundgerecht machen. Ich glaube zu verstehen, was Sie unter „Schwachsinn“ meinen. Aber ebenso wie der Spinnenfaden verhältnissmässig eben so stark, wenn nicht stärker ist als das Schiffstau, ebenso ist der weibliche Geist vielleicht nicht schwächer als der männliche, nur ist seine Aufgabe eine andere, weil eben die Constitution des Weibes eine andere ist als die des Mannes. Stark und schwach sind eben da wie allgemein ganz relative Begriffe, ebenso wie gross und klein, gut und schlecht etc. etc. Vielleicht hätte man sich nicht so sehr alterirt über Ihr Werkchen und die Wahrheiten, die es enthält, wenn Sie „Ueber die physiologischen Grundbedingungen des weiblichen Geistes“ geschrieben hätten. Ein Schlager wäre dieser Titel allerdings nicht gewesen, aber auch keine Ohrfeige als Eröffnung der Discussion. Allerdings hätten Sie dann nicht die vielen amüsanten Zuschriften erhalten und wahrscheinlich würde ich unter der Masse derartiger Schriften an Ihrem geschätzten Werkchen achtlos vorübergegangen sein. Man kann doch nicht Alles kaufen und Alles lesen. So aber sprang mir der Titel in die Augen, ich bestellte, kaufte und las und diese Epistel ist die Folge davon.

„Umarmt“ will ich nicht von Ihnen sein. Ich war in meiner Jugend keine Freundin von Umarmungen und bin jetzt 60 Jahre alt, habe weisse Haare und Zahnlücken, bin aber kein altes Scheusal, sondern nur

Sie hochachtungsvoll grüssend
meines Vaters Tochter 
Sophie.
Empfohlene Zitierweise:
Paul Julius Möbius: Über den physiologischen Schwachsinn des Weibes. 5. veränderte Auflage. Marhold, Halle a. S. 1903, Seite 122. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_%C3%9Cber_den_physiologischen_Schwachsinn_des_Weibes_(M%C3%B6bius).djvu/122&oldid=- (Version vom 31.7.2018)