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der Intellectualismus die Natur ersetzen. Was braucht ein Kind zur Erziehung? Das Beispiel sittlich guter Menschen, besonders guter Eltern, und die Gemeinschaft mit Seinesgleichen. Es ist eine alte Geschichte, dass die Kinder einander erziehen, und dass es um so leichter geht, je mehr Kinder da sind. Später kommt dann die Schule dazu. Oda stellt sich vor, die Frau ohne „höhere“ Bildung stehe hilflos den sie geistig überwachsenden Kindern gegenüber, wie eine Henne, die Enteneier ausgebrütet hat, am Ufer steht, wenn die Entchen in’s Wasser gehen. Goethes Mutter und viele andere Beispiele widerlegen am besten solche Behauptungen. In gewissem Sinne muss der Sohn die Mutter überwachsen, aber das Herz hält sie zusammen. Fehlt es am Herzen, so hilft die höhere Bildung gar nichts (vergl. Schopenhauer).

Was es mit der Beschränkung der Fruchtbarkeit auf sich hat, das erkennt man jetzt in Frankreich. Es ist ja richtig, dass Zola in seinem Lobliede auf die Fruchtbarkeit etwas übertrieben hat, aber er war eben ein Mensch, den seine Natur zum Uebertreiben trieb, und im Grunde hat er doch recht. Denn durch das sogenannte Zweikindersystem wird nicht nur die Bevölkerung fortschreitend vermindert, sie wird auch verschlechtert. An diesem Beispiele kann man die Thorheit, die in Oda Olberg’s Behauptungen steckt, am besten erkennen. Wollen die Damen mir nicht glauben, so mögen sie auf eine ihrer Schwestern hören. Käthe Schirmacher hat in einem Aufsatze über „Frankreichs Bevölkerungssorgen“[1] recht gute Bemerkungen gemacht. Ich will ein Stück davon abdrucken lassen; vielleicht kann das Oda’s Seele retten und Andere vor der Verführung bewahren.

„Die sociale Qualität dieser fils oder filles uniques ist keine bessere als die zahlreicher Brüder und Schwestern. Weit davon. Die einzigen oder wenig zahlreichen französischen Kinder sind Angstkinder, um deren Dasein und Wohlsein sich in der Familie alles dreht, deren Krankheiten eine Kalamität, deren Launen Gesetze sind. Sie bilden der Eltern Verzug. Papas Einziger, Mamas Abgott; Erstgeborener und Benjamin zugleich sein, das verträgt kein Kind. Vom Tage ihrer Geburt an concentrirt sich auf ihre kleine Person ein ganz ungebührliches, ein unverhältnissmässig


  1. Westermann’s Monatshefte XLVI. 5. Februar 1902.
Empfohlene Zitierweise:
Paul Julius Möbius: Über den physiologischen Schwachsinn des Weibes. 5. veränderte Auflage. Marhold , Halle a. S. 1903, Seite 11. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_%C3%9Cber_den_physiologischen_Schwachsinn_des_Weibes_(M%C3%B6bius).djvu/11&oldid=- (Version vom 31.7.2018)