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reissenden Stromes am Weiterfliessen hindern zu wollen, wie die eine Hälfte eines Kulturvolkes nöthigen zu wollen, auf der Naturstufe zu verharren.

Die Gefährdung der Rasse durch Massenzüchtung von Gehirnweibern ist, wie gesagt, ein Gelehrtenstubengespenst. Möbius insbesondere, der von der Sterilität, Stumpfheit, Unsachlichkeit und Interesselosigkeit des Weibes überzeugt ist, hat doch gar keine Veranlassung, einen Massenzudrang der Weiber zum Gelehrtenberuf zu fürchten. Obendrein versichert er, dass die gelehrten Frauen nicht die guten seien und auch für den Mann nichts Anziehendes hätten. Und Das ist auch von Anderen so oft gesagt worden, dass ich selbst, wenn ich nicht zufällig das Gegentheil wüsste, glauben könnte, es sei wahr. Bei der beträchtlichen numerischen Ueberzahl der Frauen aber würde selbst ein grösserer weiblicher Gelehrtenstand, als wir ihn zu erwarten haben, noch keinen Schaden anrichten. Dass die im öffentlichen Leben thätige hochgebildete Frau steril ist oder ihre Kinder schlecht versorgt oder dass diese Kinder schwächlich ausfielen, ist bis heute nicht erwiesen worden. Es wäre mir dagegen leicht, ein halbes Dutzend Beweise für das Gegentheil zu erbringen. In Wirklichkeit wird sich immer nur eine kleine Minderheit von Weibern den gelehrten Berufen zuwenden, weil sie ihnen in der That nicht liegen. Und Das ist gewiss gut. Aber muss es nicht seltsam berühren, wenn die selben Männer, die sich über die Heirathlust der Weiber so viel lustig machen, sofort auf den Gedanken kommen, diese Heirathlust könne sich ganz verlieren, sobald das Weib nicht mehr gar so abhängig sei? Dieser Sorge dürfen sie sich getrost entschlagen. Der Trieb nach Mann und Kind, ganz besonders der mütterliche, ist viel zu stark im Weibe, als dass er je durch etwas Anderes Ersatz finden könnte. Krankhafte Ausnahmen wird es immer geben, hat es aber auch immer gegeben. Im Ganzen werden die wirtschaftlichen Verhältnisse das Schwanken der Eheschliessung am Meisten beeinflussen. Aber mit oder ohne staatliche Sanktion werden die Menschen fortfahren, sich zu paaren und Kinder zu zeugen. Das geistig am Höchsten entwickelte Weib wird am Tiefsten begreifen, dass es für sie über die Mutterschaft auf Erden nichts giebt. Vieles daneben, nichts darüber.

Also: wozu der Lärm?

Wir haben in Deutschland mit Kulturfactoren zu rechnen, die unsere Rasse in unendlich viel höherem Grade schädigen, als es emancipirte Frauen je thun werden: viele unserer Industrien, die Arbeit in den Fabriken, der Alcoholismus, die erotischen Ausschweifungen der Grossstadtjugend und ähnliche Dinge. Angesichts solcher tausend- und tausendfachen Verkümmerung und Vergiftung des Elternmaterials erscheint es doch beinahe Wahnsinn, sich über ein paar Hundert unabhängiger Frauen aufzuregen. Wer mitten im Leben steht, sehe sich um und sage dann, wo er geistiges und körperliches Siechthum gefunden hat: bei den Fabrikarbeitern, Webern, Hungerdorfbewohnern, Bergleuten und ihren Familien oder bei den „neuen Weibern“. Ein Männergeschlecht, das nicht im Stande ist, den grössten Theil seiner Weiber vor schwerer Arbeit, Siechthum und Hunger zu schützen, sollte wenigstens schweigen, wenn die Frauen endlich einmal ihr Heil auf eigene

Empfohlene Zitierweise:
Paul Julius Möbius: Über den physiologischen Schwachsinn des Weibes. 5. veränderte Auflage. Marhold, Halle a. S. 1903, Seite 101. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_%C3%9Cber_den_physiologischen_Schwachsinn_des_Weibes_(M%C3%B6bius).djvu/101&oldid=- (Version vom 31.7.2018)