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nächsten Nähe schlief und wo die Liebe mir zusetzte.

Es wird rasch heller. Die Mondsichel verblaßt, die Sterne erlöschen … Das Vorgelände ist auf fünfzig Schritt bequem zu überschauen. Nach einer halben Stunde stehe ich einsam auf der höchsten Spitze der südlichen Buchthöhen und lasse mich von den ersten Sonnenstrahlen umspielen. Der warme Wind vom Pazifik trocknet mein Unterzeug. Meine Strümpfe haben keine Sohlen mehr. Meine Füße sind wund vom scharfen Gestein. Wo ich hintrete, bleiben Blutflecken.

Aber der Wille ist alles. Schmerzen sind nichts, wenn man inmitten von solchem Erleben dahinschreitet.

Mein scharfer Blick prüft die Insel, tastet jede Einzelheit ab. Schimmernde Wasserstraßen ringsum, Insel an Insel. Nach Süden zu die Gestade und Gebirgsmassen von Santa Ines – so nah, daß eine Kugel gegen die Steilküste klatschen würde. Von dem Gegner nichts – gar nichts … Und ihn in dieser Steinwildnis suchen: Stecknadel im Heuschober! Ich habe mir diese Jagd auf einen Blessierten doch zu leicht vorgestellt. Ich wende mich um, und unter mir im Buchtbecken der Kutter, Boche Boche an Deck, erledigt Seemannsbegräbnis, wirft die Toten über Bord, jeder mit einem kleinen Sandsack an den Füßen. Er hat mir schon vorhin zugewinkt, winkt wieder, klettert in den Kahn hinab und treibt ihn zum Ufer. Ich beginne den Abstieg. Unzufrieden, enttäuscht und voller Sorgen, was die Jörnsens betrifft. Vielleicht leben sie nicht mehr. Vielleicht hat unser Mann sie wirklich abgetan, und die Leichen schwimmen irgendwo in den Kanälen.

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Max Schraut: Das tote Hirn. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1930, Seite 156. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_tote_Hirn.pdf/156&oldid=- (Version vom 31.7.2018)