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Türe oder Dach aufreiße, das Licht auszulöschen.“ Für die Deutschen Christen gibt es solche Sorgen nicht. Sie stehen nicht unter dem Wort, sondern über dem Wort. Sie dekretieren, was von der Bibel noch gelten darf und was nicht. Darum fehlt ihnen jegliche Ehrfurcht und Demut gegenüber der Heiligen Schrift. Sie stellen sich bewußt außerhalb der Gemeinde, für die ein solcher Umgang mit der Bibel einfach unerträglich ist. Ich habe dieser Ehrfurchtslosigkeit gegenüber dasselbe Gefühl wie jene Hausfrau, die einem Gast die alte Familienbibel wieder aus der Hand nahm, weil er sie mit spitzen Fingern und mit einer brennenden Zigarette in der Hand aus dem Bücherregal genommen hatte.

Diese Ehrfurchtslosigkeit zeigt sich auch in der Art, wie die Übersetzer im einzelnen mit dem Wortlaut der Bibel umgehen. Es sollen unverständlich gewordene Worte ausgemerzt werden und durch verständlichere ersetzt werden. In Wirklichkeit wagen die Herausgeber Grundwahrheiten der Bibel ihren Lesern nicht mehr zuzumuten und biegen durch eine andere Übersetzung den ursprünglichen Sinn um. Es ist schon seltsam, daß das Wort „Sünder“ gern in Anführungszeichen gesetzt oder umschrieben wird mit „die ihr für Sünder haltet“, als ob es sich nur um vermeintliche und nicht um wirkliche Sünder handle, womit der leichtfertigen Behandlung einer der ernstesten Fragen Tür und Tor geöffnet ist, und das mit Hilfe einer „Übersetzung“ des Neuen Testaments! Charakteristischerweise schließt das Gleichnis vom verlorenen Schaf mit dem Satz: „So wird sich Gott mehr freuen über einen Gottentfremdeten, der heimkehrt, als über neunundneunzig Selbstgerechte, die nicht nach Heimkehr verlangen.“ Sogar in kleinen Zügen macht sich diese Art geltend. Das Wort „Fasten“ wird mit größter Scheu umgangen. Es wird allgemein von Entsagung gesprochen, und bei der Heilung des Mondsüchtigen, wo Jesus von der Austreibung durch Beten und Fasten spricht, redet das Volkstestament nur von „glaubensstarkem Beten“. Auch das Wort von der Bluttaufe wird vermieden. In einer Zeit, wo wir von Feuertaufe und ähnlichen Dingen zu reden gewöhnt sind, glaubt Grundmann für den christlichen Märtyrertod statt Bluttaufe das Wort „Todesweihe“ einführen zu müssen. Aber es bedarf weiter keiner Aufzählung. Es mag genügen, die eigentliche Verschiebung des biblischen Sinngehalts noch an zwei Beispielen darzutun, indem ich

Empfohlene Zitierweise:
Karl Fischer: Das Volkstestament der Deutschen Christen. Bekennende Evangelisch-luth. Kirche Sachsens, Dresden 1940, Seite 12. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Volkstestament_der_Deutschen_Christen.pdf/14&oldid=- (Version vom 28.7.2023)