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dass die Inhaber der Hotels ihren Leuten die Annahme von Trinkgeldern bei Strafe sofortiger Dienstentlassung und Verwirkung ihrer Lohnansprüche streng untersagen, dieselben dagegen in Bezug auf den Lohn so stellen, dass sie der Trinkgelder entbehren können. Ich fand die Einrichtung, wie ich sie mir gedacht hatte, vor einiger Zeit auf einer Reise in der Schweiz in einem der ersten dortigen Hotels, dem bekannten „Schweizerhof“ in Luzern. Zu den Vorzügen, welche diesen Gasthof zu einer Musterwirthschaft stempeln, die ihresgleichen sucht, gehörte auch die Abwesenheit der beiden stehenden Posten auf den Wirthshausrechnungen, durch welche die Wirthe es verstanden haben, die Preise für die Wohnung in unnatürlicher Weise in die Höhe zu schrauben: Servis und

    gestellten Classen der Gesellschaft zukommt: Vergütung für die geleisteten Dienstleistungen in Form des Lohns. Dem Arbeiter gebührt dasjenige, was er verdient, in Form des rechtlichen Anspruches, dem Kellner wird die Vergütung, auf die er angewiesen ist, in Form einer halb erzwungenen, halb freiwilligen Gabe zu Theil, er muss halb bittend, halb fordernd die Hand danach ausstrecken, und ich kann begreifen, dass dies für die besseren unter ihnen etwas Widerstrebendes hat, und dass ihnen das Demütigende, das darin liegt, nicht selten deutlich fühlbar wird. In den Kreisen, die dieser Agitation zugethan sind, täuscht man sich nicht über die grossen Schwierigkeiten, die diesen Bestrebungen entgegenstehen, aber wenn diejenigen, die sich an ihnen betheiligen, als spätere Wirthe ihre Grundsätze nicht verleugnen, so muss nothwendigerweise die Zahl der Gasthöfe, in denen die projectirte Einrichtung zur Ausführung gelangt, von Jahr zu Jahr steigen.

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Rudolf von Jhering: Das Trinkgeld. Georg Westermann, Braunschweig 1882, Seite 55. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Trinkgeld.pdf/55&oldid=- (Version vom 31.7.2018)