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ihnen noch nicht theuer genug, und der Wirth sah sich genöthigt, um ihren Wünschen, den theuersten Champagner zu trinken, den es überhaupt gebe, nachzukommen, irgend eine seiner Sorten zu einem ganz exorbitanten Preis anzusetzen. Beim Goldschmied liessen sie sich goldene Theelöffel machen. Es war der Uebermuth des ökonomischen Grössenwahns, ökonomisches Delirium, ökonomische Tobsucht – es wurden Flaschen Champagner an die Wand geworfen! Eine normale Einnahme, d. h. eine solche, welche der allgemein hergebrachten Norm des Verkehrs entspricht, hat, selbst wenn sie noch so hoch ist, für den Menschen nichts Bedrohliches; er kann sich sagen, dass er sie durch seine Arbeit oder sein Kapital regelrecht verdient hat. Bedrohlich ist nur derjenige Erwerb, der sich ausserhalb der Bahnen des normalen Verkehrs bewegt, bei dem der Gewinn, den er abwirft, in keinem Verhältniss steht zu dem Einsatz, durch den er erzielt wird: der excentrische, wie ich ihn nennen möchte. Dem excentrischen Charakter des Erwerbs entspricht hier regelmässig der seiner Verwendung. Bei einem armen Mann, der durch Zufall, z. B. Gewinn in der Lotterie, oder eine reiche Erbschaft plötzlich in den Besitz eines Vermögens gelangt, hält sich dasselbe in der Regel nicht lange, ihm schwindelt – dem Dachdecker schwindelt nicht, er ist die Höhe gewohnt.

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Rudolf von Jhering: Das Trinkgeld. Georg Westermann, Braunschweig 1882, Seite 47. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Trinkgeld.pdf/47&oldid=- (Version vom 31.7.2018)