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Walther Kabel: Das Tal der Tränen. In: Neues Deutsches Familienblatt, Jahrgang 1908, Heft 27–34, S. 209–210, 217–218, 225–226, 233–234, 241–242, 257–259, 265–266, 273–275

Das Tal der Tränen.
Erzählung nach einer wahren Begebenheit von Walter Kabel-Langfuhr.
(Fortsetzung.)

Richter war in den vier Jahren, die er in Mexiko und Kalifornien zugebracht hatte ein recht guter Menschenkenner geworden und glaubte daher den Grund für Mias Schweigsamkeit längst herausgefunden zu haben. Er ahnte, daß sie eine Wiederholung jener Frage, die er vorher bei ihrem Alleinsein in Walters Wohnstube an sie gerichtet hatte, fürchtete und gerade diese Scheu bestärkte seinen Verdacht. Sie hatte zweifellos etwas verheimlicht, das mit dem Plane der beiden edlen Genossen in Zusammenhang stand. Nur über die Gründe zu diesem Verhalten konnte der Detektiv sich nicht klar werden, da er dem offenherzigen Naturkinde keine böswillige Unaufrichtigkeit zutrauen mochte. Wenn er sich auch beim Aufbruch vorgenommen hatte, die Sache nicht weiter zu berühren, so widerstrebte es doch seinem ehrlichen Empfinden, daß sich vielleicht zu Unrecht bei ihm eine falsche Meinung über Mias Charaktereigenschaften festsetzen könnten. Und so sagte er dann plötzlich gerade heraus: „Wenn Sie schließlich auch auf meine Unterhaltung nicht viel Wert zu legen scheinen, Fräulein Mia, so muß ich Sie doch bitten, mir im Interesse unserer gemeinsamen Freunde über einige Punkte Aufschluß zu geben, die das Vorhaben der beiden Spitzbuben Burns und Wilson, – so nennen Sie Sich ja wohl hier – anbetrifft.“

Er zog die Zügel etwas an, räusperte sich verlegen und fuhr dann hastig fort: „Die Unterredung zwischen den beiden Gaunern hat also in dem Gasthause Ihres Vaters stattgefunden?“ – – „Ja, Master Richter – vor dem Hause unter dem Zeltdach,“ entgegnete das Mädchen gepreßt. – „Und waren Burns und Wilson ganz allein, als“ … Der Detektiv unterbrach sich; denn Mia hatte plötzlich die Hände vor das Gesicht geschlagen und weinte jetzt fassungslos in sich hinein. Sie schluchzte bisweilen so herzbrechend, daß dem Manne neben ihr das heiße Mitleid zum Herzen quoll.

„Aber Fräulein Mia, was haben Sie nur? Fühlen Sie sich durch eine Bemerkung von mir verletzt? So sprechen Sie doch, bitte.“ Er lenkte den Grauschimmel dich an den kleinen Pony

Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Das Tal der Tränen. In: Neues Deutsches Familienblatt, Jahrgang 1908, Heft 27–34, S. 209–210, 217–218, 225–226, 233–234, 241–242, 257–259, 265–266, 273–275. W. Kohlhammer, Stuttgart 1908, Seite 257. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Tal_der_Tr%C3%A4nen.pdf/11&oldid=- (Version vom 31.7.2018)