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Walther Kabel: Das Tagebuch eines Irren (Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Band 9)

die geräumige Kajüte. Meinert verfolgte ihn jetzt mit Blicken, in denen deutlich eine spöttische Geringschätzung zu lesen war.

Sein Herr bemerkte davon nichts. Doch nicht die Sorge um das Wohl seines Vaterlandes ließ den Bei unruhig hin und her gehen. Seine habgierigen Gedanken suchten nur einen Plan, wie er am besten die aufgestapelten Schätze in Sicherheit bringen konnte.

Endlich schien er zu einem Entschluß gekommen zu sein. Er blieb vor seinem Vertrauten stehen und sagte mit unterdrückter Stimme: „Du hast recht, Jussuf! Ibrahim Pascha verkennt die Gefahr. Vergeblich habe ich heute wieder auf ihn eingeredet. Er glaubt nicht daran, daß das Ultimatum ernst gemeint ist, hält es für eine bloße Drohung, die für uns ohne Folgen bleiben wird. Und ich muß seinem Befehle gehorchen und morgen früh einen meiner Offiziere zu Sir Codrington mit der Nachricht schicken, daß das Schreiben dem Pascha nicht hat zugestellt werden können, da er sein Hauptquartier inzwischen verlegt habe und nicht so schnell zu erreichen sei. So gedenkt Ibrahim die Verbündeten hinzuhalten.“

Da lachte der Bucklige ärgerlich auf. „Als ob der schlaue Engländer solchen Ausflüchten Glauben schenken würde! Seine Antwort gibt er uns mit seinen Geschützen!“

Der Bei trat jetzt noch näher an Jussuf heran und flüsterte ihm zu: „Und wenn es nun zu einer Seeschlacht kommt, und dabei dieses Schiff in Grund gebohrt wird, so liegen die schönen Reichtümer an Gold und Edelsteinen, von denen auch dir ein Teil gehört, auf dem Boden des Golfes von Navarino, unerreichbar für jeden Menschen, unerreichbar auch für den von uns beiden, der vielleicht den morgigen Tag überlebt.

Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Das Tagebuch eines Irren (Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Band 9). Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, Berlin, Leipzig 1908, Seite 108. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Tagebuch_eines_Irren.pdf/9&oldid=- (Version vom 31.7.2018)