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Bei diesen Gleichungen, namentlich wie ich sie umgeschrieben habe, liegt nun eine mathematische Tatsache auf der Hand, an die hernach das Relativitätsprinzip anknüpft. Werden nämlich statt x, y, z, t neue Koordinaten x', y', z', t' durch eine rein reelle lineare Transformation eingeführt, so daß dabei der Ausdruck kurz gesagt invariant bleibt, und transformiert man entsprechend wie den Vektor , so bleibt das ganze System der aufgestellten Formeln in den entsprechenden gestrichelten Zeichen erhalten. Wir können also als reine Trivialität, d. h. ohne daß damit ein neues, vorher noch nicht enthaltenes Gesetz behauptet würde, angeben, daß die Grundgleichungen der Elektronentheorie die orthogonalen Transformationen des vierdimensionalen Raumes zulassen.

2.

Wenden wir uns nun weiter zur Betrachtung von Materie. Wir werden es einmal mit der Elektrodynamik, dann mit der Mechanik zu tun haben. Hier stellen wir uns auf den Standpunkt, die zutreffenden physikalischen Gesetze sind uns noch nicht völlig bekannt. Eines Tages würde vielleicht eine Zurückführung auf reine Elektrizitätslehre möglich sein; aber schon jetzt geht insbesondere aus dem Michelsonschen Versuche hervor, daß, wie sich Einstein prägnant ausdrückt, dem Begriffe der absoluten Ruhe keine Eigenschaften der Erscheinungen entsprechen. Und diese Tatsache wird sich einfach erklären lassen, wenn wir annehmen, daß auch die Gleichungen der Elektrodynamik der Materie jedenfalls von solcher Art sind, daß sie ebenfalls bei jener von Poincaré nach Lorentz benannten Gruppe invariant bleiben. Hier tritt nun das Relativitätsprinzip als ein wirkliches neues physikalisches Gesetz ein, indem es über noch gesuchte Gleichungen für Erscheinungen eine Forderung stellt. Zu welchen Folgerungen dieses Postulat führt, soll nun erörtert werden. Bei der Betrachtung der Materie haben wir nun vor allem einen neuen Vektor als Funktion von x, y, z, t ins Auge zu fassen, die sichtbare Geschwindigkeit der Materie an jeder Stelle. Es seien die Komponenten der Geschwindigkeit an einer Stelle der Materie, w die Größe der Geschwindigkeit, so würde ein Vektor im Raume dem nur bei wirklicher Bewegung, nicht jedoch im Falle der Ruhe entsprechen. Ich will nun aber statt dessen

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Hermann Minkowski: Das Relativitätsprinzip. Leipzig: Johann Ambrosius Barth, 1915, Seite 931. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Relativit%C3%A4tsprinzip_(Minkowski).djvu/5&oldid=- (Version vom 31.7.2018)