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Sie nun, Herr Hubert, Ihre Erlebnisse hier unter Berücksichtigung dieser Tatsachen nochmals prüfen, dann entwirren sich all die dunklen Punkte ganz von selbst. Ein Weib reichte Ihnen aus Garbrichs Wohnung den Zettel: Das Weib war Winter! – Ein Mann gibt Ihnen aus Fiedlers Wohnung einen Brief: es war Winter! - Sie sehen Winters Schatten auf Garbrichs Fenstervorhängen, – einfach genug, denn Winter hatte sich von seiner Wohnung eine Falltür nach Garbrichs Küche angelegt, so daß er nach oben konnte, ohne die Treppe zu benutzen!“

Ich saß wie erschlagen da …

Ich konnte nicht daran zweifeln: Harst hatte recht!

Und ich rief staunend:

„Winter war ein Verkleidungskünstler und ein Schauspieler, wie es selten …“

„… wie es oft unter Geisteskranken vorkommt,“ fiel mir Harst ins Wort. „Gewisse Geistesgestörte besitzen einen krankhaft gesteigerten Intellekt für Täuschungen, Lügen, Schauspielern und Ähnliches … Und Winter wollte eben „Verbrecher“ sein … Er begann damit, daß er Grimm und Goster auftreten ließ … Das war noch harmlos … Das war Spielerei … Nachher genügte ihm das nicht mehr. Er schuf die Herren Garbrich und Fiedler als Ersatz … Und hat dann mich auf sich selbst aufmerksam gemacht, weil er eben auch „verfolgt“ werden wollte … Als Sie hier mieteten, Herr Hubert, ging er noch einen Schritt weiter … Er täuschte zwei Morde vor …“

Pause … – Ich nickte jetzet zögernd, denn ich mußte zugeben, daß Harald Harst die Dinge bis auf den Grund durchschaut hatte … – Ja – – wirklich bis auf den Grund?! – Ich bezweifelte es … Wartete …

Und dann beugte er sich wirklich halb über den Tisch …

Seine Augen fraßen sich förmlich in die meinen hinein …

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Max Schraut: Das Kreuz auf der Stirn. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1925, Seite 57. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Kreuz_auf_der_Stirn.pdf/58&oldid=- (Version vom 31.7.2018)