„Nur – Ihre Sorgen und Kümmernisse würde sie wohl nicht verstehen … So alte Damen sind zumeist etwas weltfremd …“
„Das ja … das ja,“ nickte sie traurig …
Derweil hatten wir beinahe den Pavillon erreicht …
Und – ich wurde nervös, aufgeregt …
Ich wollte abbiegen, wollte einen Seitenweg einschlagen, aber Hilde meinte:
„Vom Pavillon aus haben wir heute bestimmt eine gute Fernsicht, Herr Hubert …“
Abermals redete ich dann auf sie ein …
Und redete überhastet – mit der Angst im Herzen, dass dort oben vor dem Pavillon noch die Tote liegen könnte …
Jetzt machte der Weg eine Krümmung … Da war der Pavillon … und – leer … leer …
Da war auch nicht eine Spur von Blut auf dem Boden.
Ich fühlte, wie sich mir die Gedanken verwirrten …
Hilde blieb stehen …
Deutete in die Ferne, wo das Meer glänzte, wo der weiße Leuchtturm auf der Spitze der dunklen Steinmole wie ein Strich sich abzeichnete gegen den leicht dunstigen Horizont.
Ich horchte …
Denn Hilde flüsterte jetzt plötzlich mit halb erstickter Stimme:
„Herr Hubert, seien Sie barmherzig …!“
„Ich – – barmherzig?! Inwiefern?“
Und ich nahm ihre Hand …
Inwiefern? So sprechen Sie doch, Fraulein Hilde …!“
„Sie … Sie … sollen … bitte nichts … zur Anzeige bringen …!!“
Nun war’s heraus …
Endlich!!
Und ihre Tränen tropften wieder …
Ich drückte ihre Hand …
Max Schraut: Das Kreuz auf der Stirn. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1925, Seite 24. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Kreuz_auf_der_Stirn.pdf/25&oldid=- (Version vom 31.7.2018)