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Chico regte sich nicht mehr. Sein Kopf hing tief im verwesenden grüngelben Speck. Chubur bewegte den Kopf zuweilen, stöhnte, schrie … wimmerte …

Ich fühlte, wie ich erbleichte, wie meine Glieder eisig vor Entsetzen wurden. So gräßlich war dieser Anblick, daß mir einen Moment die Sinne zu schwinden drohten. Alles drehte sich um mich her im Kreise … Aber ich biß die Zähne knirschend aufeinander, biß mir absichtlich in die Zunge, damit der Schmerz die Nerven meisterte.

Acht Meter vor mir dieses Bild. Coy rutschte schon den Tangberg neben dem Kadaver hinab. Die gefräßigen Vogelscharen kümmerten sich nicht um uns. Genau so wenig Scheu zeigten sie vor den beiden Köpfen, ein Beweis, daß Chubur und Chico schon längere Zeit in dieser unbeschreiblichen Lage sich befanden.

Ungezählte Kulturmenschen gibt’s, die das Tier in lächerlicher Anmaßung oder aus „sittlichen“ Gründen hinter den Homo Sapiens, hinter das weiseste Geschöpf Gottes (angeblich!) rangieren. Nun, kein Tier wäre fähig, seinesgleichen derart zu foltern, wie es hier Mensch mit Mensch getan! Kein Tier tötet aus reiner Mordgier, aus angeborener Grausamkeit. Hunger ist die Triebfeder. Niemals dürfte man sagen, ein Tier mordet. Es tötet oft im Übermaß, säuft[1] nur das Blut der Opfer, frißt nur Innenteile wie zum Beispiel Leopard und Panther, wenn sie reichlich Beute finden. Quälen, foltern, peinigen, – nein, – nur ein Geschöpf tut’s außer dem Ebenbild Gottes, dem Menschen: die Hauskatze! Nur die! Sie ist grausam. Ist sie’s geworden durch den Umgang mit

  1. Vorlage: sauft
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Max Schraut: Das Geheimnis des Meeres. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1930, Seite 130. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Geheimnis_des_Meeres.pdf/130&oldid=- (Version vom 30.6.2018)