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noch vorüberjagte, brachte weder neuen Regen noch abermalige Finsternis.

Wir sahen nun vom Deck des Wrackes aus, hinter dessen Reling wir kauerten, das bewaldete Buchtufer der Insel dicht vor uns. Die Beleuchtung durch die zahllosen Lämpchen des Wellalls genügte vollauf die tropische Üppigkeit dieses grünen Strandstreifens genügend würdigen zu können.

Jenseits des[1] schmalen, felsigen Uferstriches gab es einen Streifen hellen Sandes, der allmählich in grasbewachsenen, fruchtbaren Boden überging. Dann kamen Büsche, Bäume und Sträucher, und dahinter schien sich die Mitte des Eilandes zu einer flachen, steinigen und mit Felsstücken besäten Kuppe aufzutürmen.

„Worauf warten wir?“ fragte ich, als Harald noch immer nicht Miene machte, die Insel zu betreten, deren Geheimnisse mich mit aller Macht anlockten[2].

Harst erwiderte kühl: „Ich warte darauf, mein Alter, daß die Gefangenen der Rani vielleicht wieder aus ihrem Versteck vorkommen und uns das Suchen ersparen. Ich denke, sie werden durch deinen Fausthieb, und dadurch, daß ich die Jacht wieder rückwärts laufen ließ, zu der irrigen Überzeugung gekommen sein, daß wir vielleicht Leute der Fürstin, ihrer Peiniger, sind. Deshalb haben sie sich wieder in die Höhle verkrochen, wo sie sich am besten verteidigen können. Sie fürchten Strafe wegen der Überwältigung ihrer Wärter, und sie beabsichtigen fraglos, ihr armseliges Leben so teuer wie möglich zu verkaufen …“

Ich pflichtete Harald in alledem vollständig bei, zwang meine Nerven, die förmlich nach irgendeinem wilden Erlebnis fieberten, zur Ruhe und äugte dauernd nach dem grünen Uferstrich hinüber.

Der warme Wüstensturm machte uns dieses Ausharren hinter der Reling leicht. Wir hatten das Ölzeug abgelegt. Unsere schweißfeuchten Anzüge trockneten schnell.

Und kurz nach Mitternacht, als der Mond schräg über


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Max Schraut: Das Eiland der Toten. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1925, Seite 55. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Eiland_der_Toten.pdf/56&oldid=- (Version vom 30.6.2018)