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von ihnen waren sehr prachtvoll gekleidet, doch der König verdunkelte sie alle.

Er war ein schöner Mann, damals im mittlern Alter, jetzt mag er ein Sechsziger seyn – mit regelmäßigen und feinen Zügen und einem sehr gescheidten Ausdruck im Gesicht. Sein schwarzer glänzender Bart, der sich in reicher Fülle bis auf die Brust herab senkte, zog am Meisten unsre Aufmerksamkeit auf sich. Der Grundstoff seines Kleides war weiß; aber es war so mit Brillanten überdeckt, und der Glanz, der von seinem Throne, wie die Strahlen von der Sonne, ausgeströmt wurde, war so blendend, daß Niemand die einzelnen Theile zu unterscheiden vermochte, deren Ganzes einen solchen Zauber über seine Gestalt verbreitete.

Zwei Ceremonienmeister mit goldenen Stäben eröffneten den Zug; im Angesicht des Throns angelangt, machten sie zweimal Halt und verbeugten sich tief und zu gleicher Zeit nahm der Gesandte seinen Hut ab. Hierauf meldete der Minister der Bittschriften den Gesandten und der König sprach: „Er ist willkommen.“ In zehn Minuten war die ganze Ceremonie vorbei. Um Fragen, wie sich der König von England, wie sich der Generalgouverneur von Indien befinde, ob der Gesandte während der Reise durch die Staaten Sr. M. gut behandelt worden sey etc. drehte sich Alles. Später traten jedoch mehrere Fälle ein, wo der Schah den formellen Ton verließ und sich über verschiedene Gegenstände von uns Aufschluß erbat. „Ich habe gehört,“ sagte er zu dem Eltschi, „kann es aber nicht glauben, daß euer König nur Ein Weib haben soll.“ „Christliche Fürsten können nicht mehr haben,“ erwiederte dieser. „O ich weiß das,“ meinte der König, „er hat aber gewiß noch so ein kleines Dämchen.“ Als man jedoch bestimmt versicherte, daß S. M. von Großbritannien ein Muster von Tugend und Frömmigkeit in dieser wie in jeder Hinsicht sey, so lachte S. M. von Persien und sagte: „Das mag recht schön seyn, aber ich möchte nicht mit einem solchen König tauschen.“ – Es war die Rede von der englischen Regierungsform. Der Eltschi erklärte sie ihm, so gut er konnte. Als er von der Freiheit der Unterthanen sprach, wußte der König nicht, was das seyn solle; als er aber auseinander setzte, daß kein Mann in England so hoch stehe, der Etwas gegen die Gesetze vermöge, oder so nieder, der nach den Gesetzen nicht Alles vermöge, so sagte S. M. nach einigem Besinnen: „Jetzt verstehe ich, was ihr gesagt habt. – Ich sehe, euer König ist nur die erste Obrigkeit [1] eures Landes. Eine solche Lage,“ setzte er lächelnd hinzu, „gewährt Sicherheit, aber keinen Genuß. Ihr seht hier Suleiman Khan Khadschir und mehrere der Häupter meines Reichs – ich kann ihnen allen die Köpfe abschlagen. Kann ich nicht?“ sagte er, indem er sich an diese Herren selbst wandte.“ „Allerdings, o König der Welt [2], wenn es dir gut dünkt.“ – „Das ist wirkliche Macht – aber freilich ist sie nicht so sicher. Wenn ich abgetreten bin, so werden meine Söhne um die Krone fechten, und Alles wird in Verwirrung gerathen, aber das ist mein Trost, daß Persien von einem Soldaten regiert seyn will.“

Der König besitzt feine Manieren und überhaupt mancherlei Vorzüge. Er ist unter Anderem Dichter und hat ein Buch Oden geschrieben, von welchem die Kritiker Persiens mit Entzücken sprechen. Er ist sehr geregelt in der Erfüllung seiner Pflichten gegen den Staat; und König von Persien seyn ist keine Sinecure. Jeden Tag hat er zweimal Audienz zu geben: einmal öffentlich, wo er die Huldigungen seiner Söhne, seiner Minister, seiner Beamten und seines Adels empfängt, auch Fremde sich vorstellen läßt; ein andermal, wo nur Minister und Günstlinge vorgelassen und Geschäfte verhandelt werden. In seinen Mußestunden hält er sich für den Zwang, den ihm die Etikette in seinen öffentlichen Funktionen auflegt, schadlos: er widmet einige Zeit dem Umgang mit Gelehrten, Dichtern und Erzählern; aber auch Possen [3]werden als Unterhaltungsmittel nicht verschmäht; wobei einige Lieblingsdiener zu großer Vertraulichkeit berechtigt sind. Man erzählte uns als einen gewöhnlichen Scherz S. M., wenn Sie gerade in ihrer besten Laune sey und die tollsten Sprünge mache, daß Sie plötzlich rufe: „Der Hadschi! der Hadschi!“ als ob der Minister käme, worauf dann Alle nach ihren Plätzen eilten und die ernsthafteste Miene annähmen, bis das Lachen des gnädigen Monarchen ihnen verkündigte, daß Alles nur Spaß gewesen sey. Eine andere Unterhaltung ist die Jagd: der König ist ein trefflicher Reiter und ein guter Schütze.

Gleich allen guten Muselmännern steht der König früh auf, da das erste Gebet mit dem Anbruch des Tages verrichtet werden muß; zu seiner Toilette hat er weibliche Bedienung. Hat er sich angekleidet, so hält er sein Lever, bei welchem sich mehr als dreihundert Damen einfinden: jede von ihnen steht nach dem Grad ihres Ranges oder der Gunst, die sie genießt, näher oder entfernter vom Thron. Nur zwei von ihnen haben das Vorrecht, sich niederzusetzen, die Mutter des Thronerben und die Tochter Ibrahims, Khans von Schischa. Es giebt drei Ministerinnen des Harems, eine für die Gesuche, eine zweite für die Ceremonien, eine dritte für die gute Ordnung. Der Einfluß mehrerer Damen ist sehr groß. So sind z. B. die Prinzen, die der Schah in entfernten Provinzen als seine Statthalter anstellt, von ihren Müttern begleitet, und diese suchen die Macht, die sie einst ihren Reizen verdankten, nun durch Intriguen zu erhalten. Der König darf nach dem Gesetz bloß vier Gemahlinnen haben: diese wählt er denn rein nach Gründen der Politik. Sie leben auf einem ganz andern Fuß, als die übrigen Damen des Serails: jede hat ihre besondern Zimmer, man behandelt sie mit größter Achtung und Aufmerksamkeit, aber wie manche

  1. Ket-khuda-i-avvel
  2. Kibla-i-elim; der Punkt, nach welchem sich die Welt beim Gebet richtet – die gewöhnliche Anrede des Persers an den Schah.
  3. Für seinen Harem hält der Schah ganze Banden von Sängern, Tänzern und Mimikern.
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