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kürliche Abgrenzung getroffen werden. Gewiß – eine Kirche mit dem Sanctum Officium der Inquisition kann so nicht in die Erscheinung treten; ferner, es ist wirklich unmöglich, hier aus der Sache heraus eine Gemeinschaft äußerlich abzugrenzen. Was aber der Staat oder geschichtliche Nötigungen gethan haben, kommt überhaupt nicht in Betracht: die Bildungen, die so entstanden sind, heißen im evangelischen Sinn nur uneigentlich auch „Kirchen“. Der Protestantismus – das ist die Lösung – rechnet darauf, daß das Evangelium etwas so Einfaches, Göttliches und darum wahrhaft Menschliches ist, daß es am sichersten erkannt wird, wenn man ihm Freiheit läßt, und daß es auch in den einzelnen Seelen wesentlich dieselben Erfahrungen und Überzeugungen schaffen wird. Dabei mag er sich oft genug täuschen, und es mag auch nach Individualität und Bildung recht Verschiedenartiges entstehen – bisher ist er doch in dieser seiner Haltung nicht zu Schanden geworden. Eine wirkliche geistige Gemeinschaft evangelischer Christen, eine gemeinsame Überzeugung in dem Wichtigsten und in der Anwendung desselben auf das vielgestaltete Leben ist entstanden und ist in Kraft. Diese Gemeinschaft umfaßt deutsche und außerdeutsche Protestanten, Lutheraner, Calvinisten und andere Denominationen. In ihnen allen lebt, sofern sie ernste Christen sind, etwas Gemeinsames, und dieses Gemeinsame ist unendlich viel wichtiger und wertvoller als alle Verschiedenheiten. Es erhält uns evangelisch und es schützt uns vor dem modernen Heidentum und vor Rückfall in den Katholizismus. Mehr aber bedürfen wir nicht, ja jede andere Fessel weisen wir zurück. Jenes aber ist keine Fessel, sondern die Bedingung unserer Freiheit. Und wenn man uns verhält: „Ihr seid zerspalten; soviel Köpfe, soviel Lehren“, so erwidern wir: „So ist’s, aber wir wünschen nicht, daß es anders wäre; im Gegenteil – wir wünschen noch mehr Freiheit, noch mehr Individualität in Aussprache und Lehre; die geschichtlichen Nötigungen zu landes- oder freikirchlichen Bildungen haben uns nur zuviel Schranken und Gesetze auferlegt, wenn sie auch nicht als göttliche Ordnungen verkündigt worden sind; wir wünschen noch mehr Zuversicht zu der inneren Kraft und zu der Einheit schaffenden Macht des Evangeliums, das sich im freien Kampf der Geister sicherer durchsetzt als unter Bevormundung; wir wollen ein geistiges Reich sein und haben kein Verlangen, zu den Fleischtöpfen

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Adolf von Harnack: Das Wesen des Christentums. J. C. Hinrichs, Leipzig 1900, Seite 172. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DasWesenDesChristentums.djvu/176&oldid=- (Version vom 30.6.2018)