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ihre eigene Logik und ihre eigenen Gefahren. Gegen eine Gefahr hat der Apostel selbst kämpfen müssen; daß man die Erlösung geltend machte, ohne das neue Leben zu bewähren. Den Sprüchen Jesu gegenüber konnte diese Gefahr unmöglich auftauchen; aber die Formulierung des Paulus war nicht ebenso sicher gegen sie geschützt. Es mußte in der Folgezeit ein stehendes Thema für alle ernsten Prediger werden, sich nicht auf die „Erlösung“, auf Sündenvergebung und Gerechtsprechung, zu verlassen, wenn doch der Abscheu wider die Sünde und die Nachfolge Christi fehle. Wer kann verkennen, daß die Lehren von der „objektiven Erlösung“ zu schweren Versuchungen in der Kirchengeschichte geworden sind und ganzen Generationen den Ernst der Religion verdeckt haben? Der Begriff der „Erlösung“, der gar nicht so ohne weiteres in die Predigt Jesu eingestellt werden kann, ist zum Fallstrick geworden. Gewiß, das Christentum ist die Religion der Erlösung; aber der Begriff ist ein zarter und darf niemals der Sphäre persönlichen Erlebens und der inneren Umbildung entrückt werden.

Aber noch eine zweite engverbundene Gefahr tauchte auf: wenn die Erlösung auf die Person und das Werk Christi zurückzuführen ist, so scheint alles darauf anzukommen, diese Person samt ihrem Werke richtig zu erkennen. Die rechte Lehre von und über Christus droht in den Mittelpunkt zu rücken und die Majestät und die Schlichtheit des Evangeliums zu verkehren. Wiederum steht es so, daß diese Gefahr bei den Sprüchen Jesu nicht aufkommen kann – man lese selbst den Johannes. „Liebet ihr mich, so haltet meine Gebote.“[WS 1] Aber bei der Fassung, die Paulus der Religionslehre gegeben hat, kann sie allerdings entstehen und ist entstanden. Wie lange hat es gedauert, da lehrte man in der Kirche, es sei das allerwichtigste zu wissen, wie Christus als Person beschaffen gewesen sei, welche Natur er gehabt habe u. s. w. Paulus selbst ist davon noch weit entfernt – wer Christum den Herrn heißt, redet aus dem heiligen Geist –, aber unverkennbar hat die Ordnung der religiösen Begriffe, wie sie seine Spekulation bestimmt hat, auch in verkehrter Richtung gewirkt. Daß es aber verkehrt ist, mag für den Verstand die Anordnung noch so verlockend sein, die Christologie zum grundlegenden Inhalt des Evangeliums zu machen, das lehrt die Predigt Jesu, die überall bei dem Entscheidenden einsetzt und jeden ohne Umschweife vor seinen Gott stellt. Das Recht des Paulus, alles in die Predigt von Christus dem

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Joh 14,15.
Empfohlene Zitierweise:
Adolf von Harnack: Das Wesen des Christentums. J. C. Hinrichs, Leipzig 1900, Seite 115. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DasWesenDesChristentums.djvu/119&oldid=- (Version vom 30.6.2018)