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dieser Weissagung ist. Entsprechend ist ihm auch die Erlösung aus etwas Zukünftigem etwas bereits Geschehenes und Gegenwärtiges geworden. Er betont weit mehr den Glauben als die Hoffnung, er empfindet die zukünftige Seligkeit voraus in der gegenwärtigen Kindschaft; er überwindet den Tod und führt das neue Leben schon hienieden. Er preist die Kraft, die in den Schwachen mächtig ist; die Gnade Gottes genügt ihm, und er weiß, daß keine gegenwärtige noch zukünftige Gewalt ihn seinen Armen entreißen kann, daß denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen.“[WS 1] Und welche Einsicht, Zuversicht und Kraft gehörte dazu, um die neue Religion ihrem mütterlichen Boden zu entreißen und auf einen ganz neuen zu verpflanzen! Der Islam, in Arabien entstanden, ist arabische Religion geblieben, wohin er auch immer gekommen ist. Der Buddhismus hat zu allen Zeiten seine Stärke in Indien gehabt. Diese Religion aber, in Palästina geboren und von ihrem Stifter auf dem jüdischen Boden festgehalten, ist bereits nach wenigen Jahren von ihm losgelöst worden. Paulus hat sie der israelitischen Religion entgegengesetzt: „Christus ist des Gesetzes Ende“[WS 2]. Sie hat die Entwurzelung und den Übergang nicht nur ertragen, sondern es zeigte sich, daß sie auf diesen Übergang angelegt war. Sie hat dann dem römischen Reiche und der gesamten abendländischen Kulturwelt Halt und Stütze geboten. Hätte, sagt Renan mit Recht, jemand im ersten Jahrhundert dem Kaiser mitgeteilt, der kleine Jude, der von Antiochien als Missionar ausgezogen, sei sein bester Mitarbeiter und er werde das Reich auf haltbare Grundlagen stellen, man hätte ihn für wahnsinnig gehalten, und doch hätte er die Wahrheit gesagt. Paulus hat dem römischen Reiche neue Kräfte zugeführt und die abendländisch-christliche Kultur begründet. Das Werk Alexander’s des Großen ist zerfallen, das Werk des Paulus ist geblieben. Preisen wir aber den Mann, der, ohne sich auf ein Wort seines Herrn berufen zu können, aus dem Geiste heraus wider den Buchstaben das kühnste Unternehmen wagte, so dürfen wir nicht minder jene persönlichen Jünger Jesu verehren, die nach schweren inneren Kämpfen sich zuletzt den Grundsätzen des Paulus angeschlossen haben. Von Petrus wissen wir das bestimmt; von anderen hören wir, daß sie sie wenigstens anerkannten. Es war wahrlich nichts Geringes, daß die, denen jedes Wort ihres Meisters noch im Ohre klang und in deren Erinnerung die konkreten Züge seines Bildes lebten – daß diese treuen Jünger eine

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Julius Wellhausen, Israelitische und jüdische Geschichte, Berlin 1904, S. 386.
  2. Röm 10,4.
Empfohlene Zitierweise:
Adolf von Harnack: Das Wesen des Christentums. J. C. Hinrichs, Leipzig 1900, Seite 112. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DasWesenDesChristentums.djvu/116&oldid=- (Version vom 30.6.2018)