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Weinel: „Die Wirkungen des Geistes und der Geister im nachapostolischen Zeitalter.“[WS 1] Es blickt an vielen Stellen auf das apostolische Zeitalter zurück und führt das weiter aus, was Gunkel in seiner Abhandlung über den heiligen Geist so eindrucksvoll für diese Zeit dargelegt hat. Weinel hat die vernachlässigten Probleme, in welchem Umfange und in welchen Formen der „Geist“ im Leben der ältesten Christenheit wirksam gewesen ist, und wie die hierher gehörigen Erscheinungen zu beurteilen sind, vortrefflich erörtert. Das Wesentliche ist: „den heiligen Geist empfangen haben und durch ihn handeln“[WS 2] bedeutet eine Selbständigkeit und Unmittelbarkeit des religiösen Empfindens und Lebens und eine innere Verbindung mit Gott, der als die mächtigste Wirklichkeit gespürt wurde, wie man sie bei der entschlossenen Unterordnung unter die Autorität Jesu nicht erwartet. Gotteskindschaft und Begabung mit seinem Geist fallen mit der Jüngerschaft Christi einfach zusammen. Daß die Jüngerschaft nur dann wirklich vorhanden ist, wenn der Mensch von dem Geiste Gottes durchwaltet ist, weiß noch die Apostelgeschichte sehr wohl. Die Ausgießung des heiligen Geistes hat sie an die Spitze ihrer Erzählungen gestellt. Ihr Verfasser ist sich bewußt, daß die christliche Religion nicht die letzte und höchste wäre, wenn nicht jeder einzelne durch sie unmittelbar und lebendig mit Gott verbunden wäre. Das Ineinander der vollen gehorsamen Unterordnung unter den „Herrn“ und der Freiheit im Geiste ist das wichtigste Merkmal der Eigenart dieser Religion und das Siegel ihrer Größe. Die Wirkungen des Geistes zeigten sich auf allen Gebieten, in dem ganzen Bereiche der fünf Sinne, in der Sphäre des Wollens und Handelns, in tiefen Spekulationen und in dem zartesten Verständnis für das Sittliche. Die elementaren Kräfte der religiösen Anlage, durch Religionslehren und kultische Zeremonieen niedergehalten, wurden wieder entfesselt und offenbarten sich in Ekstasen, in Zeichen und Kraftthaten, in Steigerungen aller Funktionen bis zu pathologischen und bedenklichen Zuständen. Aber unvergessen blieb die Erkenntnis – und wo sie zu schwinden drohte, wurde sie eingeschärft –, daß jene stürmischen und wunderbaren Erscheinungen individuelle seien, daß es aber neben ihnen Wirkungen des Geistes giebt, die jedem geschenkt werden und die niemand missen kann. „Die Frucht aber des Geistes“, schreibt der Apostel Paulus, „ist Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Gütigkeit, Glaube,

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Die Wirkungen des Geistes und der Geister im nachapostolischen Zeitalter bis auf Irenäus, Freiburg 1899. Internet Archive.
  2. Vgl. Gal 5,25.
Empfohlene Zitierweise:
Adolf von Harnack: Das Wesen des Christentums. J. C. Hinrichs, Leipzig 1900, Seite 104. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DasWesenDesChristentums.djvu/108&oldid=- (Version vom 30.6.2018)