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die von ihm ausgegangen war? Unzerstörbares Leben hatten sie als von ihm ausgehend empfunden; nur eine kurze Spanne hindurch konnte sie sein Tod erschüttern; die Kraft des Herrn siegte über alles: Gott hat ihn nicht im Tode zertreten; er lebt als der Erstling der Entschlafenen. Nicht durch philosophische Spekulationen, sondern durch die Anschauung des Lebens und Sterbens Jesu und durch die Empfindung seiner unvergänglichen Einheit mit Gott hat die Menschheit, soweit sie überhaupt daran glaubt, die Gewißheit eines ewigen Lebens, auf das sie angelegt ist und das sie ahnt, gewonnen – eines ewigen Lebens in der Zeit und über der Zeit. Damit ist erst der Glaube an den Wert persönlichen Lebens sicher gestellt. Von allen Versuchen aber, die Gewißheit der „Unsterblichkeit“ durch Beweise zu begründen, gilt der Satz des Dichters: „Du mußt glauben, du mußt wagen, denn die Götter leih’n kein Pfand.“[AU 1][WS 1] An den lebendigen Herrn und an ein ewiges Leben zu glauben, ist die That der aus Gott geborenen Freiheit.

Als der Gekreuzigte und Auferweckte war Jesus der Herr. In diesem Bekenntnis sprach sich das ganze Verhältnis zu ihm aus; aber es bot der Anschauung und Spekulation einen unerschöpflichen Inhalt. Das vielgestaltige Messiasbild wurde mit eingeschlossen in diesen Begriff „Herr“ und alle alttestamentlichen Verheißungen desgleichen. Aber ausgeführte kirchliche „Lehren“ über ihn gab es noch nicht: wer ihn als den Herrn bekannte, gehörte zur Gemeinde.


2. Die erlebte Religion – das zweite Stück, welches die Urgemeinde charakterisiert, ist, daß jeder einzelne in ihr, auch die Knechte und Mägde, Gott erleben. Das ist merkwürdig genug; denn zunächst sollte man denken, daß bei dieser Hingabe an Christus und bei dieser unbedingten Verehrung für ihn sich alle Frömmigkeit in der pünktlichsten Unterordnung unter seine Worte und deshalb in einer Art von freiwilliger Knechtschaft ihm gegenüber hätte äußern müssen. Aber die paulinischen Briefe und die Apostelgeschichte bieten uns ein anderes Bild. Zwar die unbedingte Hochhaltung der Worte Jesu bezeugen sie, aber sie ist nicht der hervorstechendste Zug in dem Bilde der ältesten Christenheit. Viel charakteristischer ist, daß die einzelnen Christen, bewegt vom Geiste Gottes, in ein lebendiges und ganz persönliches Verhältnis zu Gott selbst versetzt sind. Wir haben neuerdings ein schönes Buch erhalten von

Anmerkung des Autors (1908)

  1. Das Schillersche Wort würde ich an dieser Stelle jetzt nicht mehr zitieren, weil es die verletzen muß, die in der leiblichen Auferstehung Jesu eine wohl bezeugte geschichtliche Tatsache und deshalb auch ein „Pfand“ sehen.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Friedrich Schiller, Sehnsucht, in: Nationalausgabe, Bd. 2, Teil 1, Weimar 1983, S. 197.
Empfohlene Zitierweise:
Adolf von Harnack: Das Wesen des Christentums. J. C. Hinrichs, Leipzig 1900, Seite 103. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DasWesenDesChristentums.djvu/107&oldid=- (Version vom 30.6.2018)