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tiefsten Kräfte und höchsten Ziele zustande kommen soll, eben diese Menschheit in der Anerkennung eines Herrn und Meisters geeinigt sein muß. Aber darüber hinaus vermögen wir der messianischen Idee einen Sinn und eine Geltung nicht mehr zu geben; Jesus selbst hat sie ihr genommen.


In der Anerkennung Jesu als des Messias war für jeden gläubigen Juden die innigste Verbindung der Botschaft Jesu mit seiner Person gegeben: in dem Wirken des Messias kommt Gott selbst zu seinem Volke; dem Messias, der Gottes Werk treibt und der zur Rechten Gottes auf den Wolken des Himmels sitzt, gebührt Anbetung. Aber wie hat sich Jesus selbst zu seinem Evangelium gestellt; nimmt er eine Stellung in ihm ein? Wir haben hier eine negative und eine positive Antwort zu geben.

1. Das Evangelium ist in den Merkmalen, die wir in den früheren Vorlesungen angegeben haben, erschöpft, und nichts Fremdes soll sich eindrängen: Gott und die Seele, die Seele und ihr Gott. Jesus hat darüber keinen Zweifel gelassen, daß Gott im Gesetz und den Propheten gefunden werden kann und gefunden worden ist. „Es ist dir gesagt, Mensch, was dir gut ist und was dein Gott von dir fordert, nämlich Gottes Wort halten und Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott.“[WS 1] Der Zöllner im Tempel, das Weib am Gotteskasten, der verlorene Sohn sind seine Paradigmen; sie alle wissen nichts von einer „Christologie“, und doch hat der Zöllner die Demut gewonnen, der die Gerechtsprechung folgt. Wer daran dreht und deutelt, der verwundet die Schlichtheit und Größe der Predigt Jesu an einer ihrer wichtigsten Stellen. Es ist eine verzweifelte Annahme, zu behaupten, im Sinne Jesu sei seine ganze Predigt nur etwas Vorläufiges gewesen, alles in ihr müsse nach seinem Tode und seiner Auferstehung anders verstanden, ja einiges gleichsam als ungültig beseitigt werden. Nein – diese Verkündigung ist einfacher, als die Kirchen es wahr haben wollten, einfacher, aber darum auch universaler und ernster. Man kann ihr nicht mit der Ausflucht entrinnen: Ich vermag mich in die „Christologie“ nicht zu finden; darum ist diese Predigt nicht für mich. Jesus hat den Menschen die großen Fragen nahe gebracht, Gottes Gnade und Barmherzigkeit verheißen und eine Entscheidung verlangt: Gott oder der Mammon, ewiges oder irdisches Leben, Seele oder Leib, Demut oder Selbstgerechtigkeit, Liebe oder Selbstsucht, Wahrheit oder Lüge. In

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Mi 6,8.
Empfohlene Zitierweise:
Adolf von Harnack: Das Wesen des Christentums. J. C. Hinrichs, Leipzig 1900, Seite 090. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DasWesenDesChristentums.djvu/094&oldid=- (Version vom 30.6.2018)