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Sprüche nicht, der hat das Gefühl dafür verloren oder noch nicht gewonnen, daß es einen Zusammenschluß mit Gott giebt, der alle Fragen der Weltflucht und Askese hinter sich läßt.

Aus diesen Gründen müssen wir es ablehnen, das Evangelium als eine Botschaft der Weltverneinung zu verstehen.

Aber Jesus spricht von drei Feinden, und ihnen gegenüber giebt er nicht die Losung aus, sie zu fliehen, sondern er befiehlt, sie zu vernichten. Diese drei Feinde sind der Mammon, die Sorge und die Selbstsucht. Beachten Sie wohl, von Flucht oder Verneinung ist hier nicht die Rede, sondern von einem Kampfe, der bis zur Vernichtung geführt werden soll; jene finstern Mächte sollen niedergerungen werden. Unter Mammon versteht er irdisches Geld und Gut im weitesten Sinn des Worts, irdisches Geld und Gut, welches sich zum Herrn über uns und uns zu Tyrannen über andere machen will; denn Geld ist „geronnene Gewalt“[AU 1]. Wie von einer Person redet daher Jesus von diesem Feinde, wie wenn es sich um einen gewappneten Ritter oder um einen König, ja wie wenn es sich um den Teufel selbst handelte. Ihm gegenüber gilt das Wort: „Ihr könnet nicht zweien Herrn dienen.“[WS 1] Wo nur immer irgend etwas aus dem Gebiete dieses Mammons einem Menschen so wertvoll wird, daß er sein Herz daran hängt, daß er vor dem Verluste zittert, daß er nicht mehr bereit ist, es willig preiszugeben, da ist er schon in Banden geschlagen. Deshalb soll der Christ, wenn er diese Gefahr für sich fühlt, nicht paktieren, sondern kämpfen, und nicht nur kämpfen, sondern den Mammon abthun. Gewiß, wenn Christus heute unter uns predigte, er würde da nicht allgemein reden und allen zurufen: „Gebt alles weg,“ aber zu Tausenden unter uns würde er so sprechen, und daß kaum Einer sich findet, der jene Sprüche des Evangeliums auf sich beziehen zu müssen meint, soll uns wohl bedenklich machen.

Und das zweite ist die Sorge. Es mag uns auf den ersten Blick befremdlich erscheinen, daß sie von Jesus als ein so furchtbarer Feind bezeichnet wird. Er rechnet sie zum „Heidentum“[WS 2]. Zwar hat auch er im Vaterunser beten gelehrt: „Unser Brot für den morgenden Tag gieb uns Tag um Tag“[WS 3]; aber solche zuversichtliche Bitte nennt er nicht Sorge. Er meint jene Sorge, die uns zu furchtsamen Sklaven des Tages und der Dinge macht, jene Sorge, durch welche wir stückweise an die Welt verfallen. Sie ist

Anmerkung des Autors (1908)

  1. Daß Geld „geronnene Gewalt“ ist hat Tolstoi gesagt.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Mt 6,24.
  2. Mt 6,32.
  3. Mt 6,11.
Empfohlene Zitierweise:
Adolf von Harnack: Das Wesen des Christentums. J. C. Hinrichs, Leipzig 1900, Seite 054. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DasWesenDesChristentums.djvu/058&oldid=- (Version vom 30.6.2018)