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11 Denn[1] in zwölf Teile ist die Weltgeschichte[2] geteilt; ’gekommen ist sie bereits zum zehnten‘[3], zur Hälfte des zehnten; 12 überbleiben aber zwei nach der Hälfte des zehnten. —

13 Nun also bestelle dein Haus,
ermahne dein Volk;
tröste seine Geringen,
’lehre seine Weisen‘[4].
Du selber entsage dem vergänglichen Leben,
14 laß fahren die sterblichen Sorgen;
wirf ab die Bürde[5] der Menschlichkeit,
zieh aus[6] die schwache Natur;
laß die quälenden Fragen beiseite
und eile, hinüber zu wandern aus dieser Zeitlichkeit!

15 Denn viel schlimmere Leiden, als[7] die du selber erlebt hast, sollen noch geschehen. 16 Denn je schwächer die Welt vor Alter wird, um so mehr wird[8] der Leiden, die über ihre Bewohner ergehen.

17 Die Wahrheit muß sich noch mehr entfernen
und die Lüge sich nähern.

Denn schon eilt der Adler heran, den du im Gesichte gesehen hast[9].

Gebet um Wiederherstellung der heiligen Schriften nebst der göttlichen Antwort.

18 Ich antwortete und sprach: ’Laß mich, Herr, vor dir sprechen‘[10]! 19 Ich scheide jetzt, wie du mir befohlen, und will das Volk, das jetzt lebt, [noch einmal] unterweisen[11]. Aber die später[12] Geborenen, wer wird die belehren?

20 Denn die Welt liegt in Finsternis,
ihre Bewohner sind ohne Licht.

21 Denn dein Gesetz ist verbrannt[13]; so kennt niemand deine Thaten, die du gethan hast und die du noch thun willst[14]. 22 Wenn ich ’also‘[15] Gnade vor dir gefunden habe, so verleihe mir den heiligen Geist, daß ich alles, was seit Anfang in der Welt geschehen ist, niederschreibe, wie es in deinem Gesetze[16] geschrieben stand, damit die Menschen deinen Pfad finden, und damit, die das ewige Leben begehren, es gewinnen können.

23 Er antwortete mir und sprach: Wohlan, so versammle das Volk und sage zu ihnen, sie sollten dich vierzig Tage[17] lang nicht suchen. 24 Du aber mache dir viele Schreibtafeln fertig;


  1. V. 11 u. 12 fehlen im Syr und Arm und sind vielleicht Zusatz.
  2. αἰῶν.
  3. Der Text des Lat widerspricht sich selbst: wenn von 12 Teilen noch zwei (der 12. und 11.) und die Hälfte des 10. übrig sind, so sind nicht 101/2, sondern 91/2 vergangen. Dieser letztere Sinn findet sich bei Aeth: decem (soll heißen duodecem) enim partibus dispositus est mundus, et venit ad decimam et superest dimidium decimae. Ar² divisum enim est tempus in partes duodecim et dimidiam partem, et iam praeterierunt decem partes (add. b. et dimidia pars.). Nach Aeth wäre Lat zu korrigieren: et transiit [ad] eius decimam et dimidium decimae partis. Vielleicht ist es einfacher, im Lat zu lesen: et transierunt eius novem iam et dimidium decimae partis. Ist der gefundene Text richtig, so soll er bedeuten, daß man in die Leidenszeit der letzten dreiundeinhalb Zeiten bereits eingetreten ist.
  4. Syr (Aeth Ar¹.² Arm) et doce sapientes eorum.
  5. 2 Kor. 5,4.
  6. Griechisch Medium; Hilg. ἔκδυσαι.
  7. Griech. Konstruktion.
  8. multiplicare = πλεονάζειν wie 9,16.
  9. 4 Esra 11. Eine Klammer, die der Verf. anbringt, um die verschiedenen Stoffe zusammenzubinden.
  10. Syr (Aeth Ar¹.² Arm) loquar coram te, domine.
  11. νουθετεῖν vgl. 7,49.
  12. עוֹד.
  13. Dasselbe schon 4,23, ein Beweis, daß dieses Schlußstück vom selben Verf. wie die ersten Visionen stammt.
  14. Demnach ist der Inhalt der heil. Schriften heilige Geschichte und Eschatologie.
  15. Syr ergo; vgl. zu 4,18.
  16. νόμος תּוֹרָה = Kanon des A. T.
  17. Nach dem Vorbilde der ersten Niederschrift des Gesetzes, Ex. 24,18.
Empfohlene Zitierweise:
Hermann Gunkel (Übersetzer): Das vierte Buch Esra. Mohr Siebeck, Tübingen 1900, Seite 399. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DasVierteBuchEsraGermanGunkelKautzsch2.djvu/69&oldid=- (Version vom 30.6.2018)