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seine Hauptfrage ist jetzt: wann das Ende kommen solle (4,33). In dieser Frage liegt sein ganzes Herz: weil er die Gegenwart unerträglich findet (4,33), weil er den einzigen Trost für dieses Leben in dem Ende sieht, so wünscht er das Ende mit leidenschaftlicher Inbrunst herbei (4,34). Auf diese Frage aber findet er eine tröstliche Antwort; es ist die uralte Antwort, die immer wieder angstvolle Menschenherzen getröstet hat: das Ende ist nahe. Wieviel dem Verfasser auf diesen Satz ankommt, sieht man deutlich daraus, daß er nicht müde wird, ihn immer wieder einzuschärfen: der Äon eilt mit Macht zu Ende (4,26); wie der ganze Regenguß mehr ist als einzelne, überbleibende Tropfen, wie das Feuer mehr ist als der überbleibende Rauch, so ist das Maß der Vergangenheit bei weitem größer als das, was für die Zukunft überbleibt (4,44-50). Die Schöpfung ist alt geworden, ihre Jugendkraft ist vorüber, ihr Ende steht bevor (5,50-55). — Zugleich aber ermahnt sich der Verfasser zur Geduld: es gebührt dem Menschen nicht, mehr eilen zu wollen als der Höchste selber (4,34):

denn Er hat die Stunden mit dem Maße gemessen
und nach der Zahl die Zeiten gezählt;
er stört sie nicht und weckt sie nicht auf,
bis das angesagte Maß erfüllt ist (4,36 f.).

Wenn die Ernte des Bösen reif ist (4,27-32), wenn die Zahl der Auserwählten voll ist (4,36), erst dann wird das Ende kommen. Geduld also ist not, aber zugleich auch die sichere Überzeugung, daß es dann gewißlich kommt: keine Sünde der Welt vermag es aufzuhalten. Wie die Schwangere ihr Kind nicht bei sich behalten kann, wenn ihre Monate um sind, so wird auch der Hades die Seelen zurückerstatten, wenn seine Zeit gekommen ist (4,38-43).

Und so beschwichtigt er in Ergebung andere Fragen, die ihm aufsteigen: Warum können die Verheißungen nicht schon jetzt in Erfüllung gehen? Die Antwort ist: Weil diese Welt zu sehr dem Bösen verfallen ist, als daß sie das Gute zu tragen vermöchte (4, 27-32). Warum ist denn diese Welt mit ihrem Elend überhaupt nötig? Er antwortet: daß dieses Elend die Folge des göttlichen Gerichts über die Sünde sei; da sind die Wege dieses Äons so mühselig und traurig geworden. Wie ein Meer oder eine Stadt, deren Zugänge eng und gefahrvoll sind, doch nur von dem in Besitz genommen werden können, der jene engen Zugänge durchschreitet, so können auch die Lebenden zu den Freuden des ewigen Lebens nur durch die Mühseligkeiten dieses Lebens gelangen (7, 1-16). Oder in anderer Wendung: Warum ist diese Welt von so unerträglich langer Dauer? Konnte Gott nicht alle Generationen, die doch zuletzt alle gemeinsam das göttliche Gericht schauen sollen, auf einmal schaffen? Er antwortet: Nein, wie auch der Mutterschoß die Kinder nur nacheinander gebären kann, so kann auch die Welt ihre Kinder, die Menschen, nur nacheinander hervorbringen (5,43-49).

Ein anderer Komplex von Auseinandersetzungen beschreibt das Kommen des jüngsten Tags: in feierlicher Rede wird versichert, daß Gott, der die Welt allein geschaffen hat, sie auch allein richten werde (5,56-6,6). Der Passus ist eine Polemik gegen die Behauptungen christologischer Bewegungen, die auch beim Weltgerichte den Christus an Gottes Stelle setzten. An anderer Stelle deutet der Verfasser in einer absichtlich mysteriös gehaltenen Allegorie an, daß Israels Weltreich am Beginne der neuen Zeit dem Weltreich Roms am Ende dieser Zeit unmittelbar folgen werde (6,7-10). Mehrfach handelt der Verfasser über die Zeichen, die dem Ende vorausgehen sollen, und an denen der Kundige sehen mag, daß das Ende nahe ist (4,51-5,12. 6,11-28; auch 9,1-5). Solche Zeichen sind furchtbare Plagen, entsetzliche Gottlosigkeiten, grauenhafte Verkehrungen der Ordnungen der Natur.

Von 7,17 ff. setzt ein neues Problem ein. Der Verfasser wendet sich von der Betrachtung der Gegenwart ab; es ist jetzt festgestellt, daß ein neuer Äon kommt, in dem alle Schmerzen in Freude verwandelt, alle Fragen gelöst, alle Sünden vertilgt sind. Er ist sicher geworden, daß jener Äon bald heranbricht. So erhebt er nunmehr die Frage, wer würdig sei, an

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Hermann Gunkel (Übersetzer): Das vierte Buch Esra. Mohr Siebeck, Tübingen 1900, Seite 337. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DasVierteBuchEsraGermanGunkelKautzsch2.djvu/07&oldid=- (Version vom 30.6.2018)