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Einundzwanzigster Gesang.
7) Saturn: die Heiligen des beschaulichen Lebens. Die Seelen bilden eine Himmelsleiter. Kein Gesang. – Schluß der Belehrung über die Gnadenwahl. – Damiani straft die üppige, hohe Geistlichkeit. Allgemeiner Weheruf der Seelen.

1
Schon heftet’ ich die Augen auf’s Gesicht

Der Herrin wieder, Augen und Gemüthe,
Und dachte drum an alles Andre nicht.

4
Sie lächelte mir nicht, doch sprach voll Güte:[1]

„Dafern ich lachte, würde dir geschehn
Wie Semelen, als sie in Staub verglühte.

7
Wenn meine Schönheit, (die, wie du gesehn,

Beim Steigen in dem ewigen Palaste
Sich mehr entflammt, je mehr wir uns erhöhn),

10
Sich deinem Blick nicht mäßigte, sie faßte

Dich wie ein Blitz – du wärst von ihr erdrückt,
Zerschmettert gleich dem blitzgetroffnen Aste.

13
Wir sind zum Glanz, dem siebenten, entrückt,[2]

Der vom Gebild des Himmels-Leu’n umgeben,
Aus seiner Glut den Strahl herniederzückt.

16
Laß jetzt den Geist, dem Blicke nach, sich heben;

Und deinen Blick – mach’ jetzt zum Spiegel ihn
Für’s Bild, das kund wird dieser Spiegel geben.“[3]

19
Wer wüßte, wie ihr Blick so selig schien,[4]

  1. [XXI. 4–6 mit 58–63. Daß Beatrix nicht mehr lächelt, die Seligen nicht mehr singen, ist ein Sinnbild von der still-ernsten, von allem abgezogenen und nichts Aeußeres bedürfenden Weise der christl. Beschaulichkeit selbst, (deren Helden hier ihren Sitz haben; vgl. Vorbem. zu Ges. 10), aber auch davon, daß das, noch unvorbereitete, Gemüth Dante’s das Uebermaß ihrer Erkenntnisse und Enthüllungen in diesem höchsten, letzten Planetenhimmel nicht zu ertragen vermöchte – so wenig, als Semele die enthüllte Majestät des Jupiter ertrug.]
  2. 13–15. Andeutung, daß zur Zeit der Reise Dante’s der Saturn im Sternbilde des Löwen stand.
  3. 18. Dieser Spiegel, der Planet Saturn, der Gottes Glanz abspiegelt.
  4. 19–24. Beatricens Augen waren so selig, daß es eine Wonne war, ihnen zu gehorsamen, und daß diese Wonne dem Schmerze, von ihnen, ihrem Befehle gemäß, wegzublicken, das Gleichgewicht hielt.
Empfohlene Zitierweise:
Alighieri, Dante. Streckfuß, Karl (Übers.). Pfleiderer, Rudolf (Hrsg.): Die Göttliche Komödie. Leipzig: Reclam Verlag, 1876, Seite 525. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dante_-_Kom%C3%B6die_-_Streckfu%C3%9F_-_525.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)