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Zehnter Gesang.[1]
4) In der Sonne. Heilige der Erkenntniß. Sie bilden zwei Lichts-Kränze oder Räder. – Die Theologen: Thomas, Albrecht, Lombardus, Salomo, Boëthius, Beda, Isidor u. a.

1
Urkraft, der Liebe voll den Sohn beschauend,[2]

Die Ihr und Ihm allewiglich entweht,
Die Unaussprechliche, das All’ erbauend,

4
Schuf, was ihr nur mit Geist und Aug’ erseht,

So ordnungsvoll, daß sie mit Wonneregung
Den ganz durchdringt, der ihre Werk’ erspäht.

7
Erheb’, o Leser, Blick und Ueberlegung[3]

  1. [X. Vorbemerkung. Mit diesem Gesang beginnt die zweite Hälfte der Planetenkreise, deren Eintheilung wir, im Anschluß an die Bemerkungen zu Ges. 3, 49 und 4, 19, hier gleich zum Voraus geben wollen. In dem 119. und 120. V. des vorigen Gesanges schon ist der nunmehrige Fortschritt allegorisch angedeutet. Wie der Kegelschatten der Erde bis zur Venus reicht, so ziehen sich durch Mond, Merkur und Venus auch bei den Seligen noch Schatten des Erdenlebens. Von nun an aber nicht mehr. Von nun an treffen wir keine „Gehemmten“ irgend einer Art mehr, sondern nur noch verschiedene Classen und Indivitualitäten von, auf Erden erreichbarer, christlicher „Vollkommenheit“. Und zwar sind es die Vollkommenen in der Erkenntniß (Sonne; Theologen), im christl. Leben überhaupt (Mars; Märtyrer, Glaubenshelden), in der gerechten Herrschaft speciell (Jupiter; Fürsten), in der Beschaulichkeit (Saturn; Mönche, Orden). Daß die Aehnlichkeit und Erkennbarkeit der alten, menschlichen Züge von jetzt an ganz verschwunden und in Licht aufgelöst ist, ist schon öfter vorausbemerkt worden. Daß ebenso der Glanz der Sterne, die ganze Erscheinungsweise der Seligen im Einzelnen und Ganzen, die Figuren von Rädern, Kreuzen, Adlern, Leitern, die sie bilden, in mehr oder weniger genauem Bezug zu ihrer Vollkommenheits- und Seligkeits-Stufe stehen, wird der Leser selbst leicht verfolgen und wird nur in seltenen Fällen noch einer besonderen Erinnerung oder Erklärung bedürfen.]
  2. 1–3. Die unaussprechliche Urkraft, Gott der Vater, beschaut den Sohn mit der Liebe, die von Vater und Sohn ausgeht [d. h. in dem heil. Geist. Also die göttl. Dreieinigkeit als Princip der Erschaffung der Welt].
  3. 7. Da Dante mit Beatricen sich zur Sonne erhebt, welche, wie anderwärts öfter gesagt ist, damals im Widder stand, und Widder und Wage die Punkte sind, wo der Thierkreis mit dem Aequator sich durchkreuzt, so fordert der Dichter uns auf, mit ihm die Augen zum Widder zu erheben. Und wie die Fixsterne mit dem Krystallhimmel sich [454] in Kreisen bewegen, die dem Aequator, die Sonne und die Planeten aber [neben der Theilnahme an diesem Umlauf, noch selbstständig umlaufen] in Kreisen, die dem Thierkreis parallel laufen, so sagt er, daß dort die doppelte Bewegung sich durchkreuzt. Im Original: eine Bewegung die andere stößt (percuote). Lombardi.
Empfohlene Zitierweise:
Alighieri, Dante. Streckfuß, Karl (Übers.). Pfleiderer, Rudolf (Hrsg.): Die Göttliche Komödie. Leipzig: Reclam Verlag, 1876, Seite 453. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dante_-_Kom%C3%B6die_-_Streckfu%C3%9F_-_453.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)