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7
Beherrschend unter’m Schatten heil’ger Schwingen

Von dort die Welt, ging er von Hand zu Hand,
Bis ihn beim Wechsel meine Händ’ empfingen.

10
Cäsar war ich, Justinian genannt,[1]

Der aus dem Recht, treu erster Liebe Walten,
Das Unmaß und das Eitle hat verbannt.

13
Und eh’ ich’s unternahm, dies zu gestalten,

Lebt’ ich zufrieden in dem Wahne fort,
Ein Wesen sei in Christo nur enthalten.

16
Doch Agapet, der Ober-Hirt und Hort,

Er lenkte mich zurück zum Aechten, Wahren,
Zum rechten Glauben durch sein heilig Wort.

19
Ich glaubt’ ihm und bin völlig nun im Klaren;

Weil Eines wahr, das Andre falsch zu sehn[2]
Stets, wo der Widersprüche zwei sich paaren.

22
Kaum fing ich an, der Kirche nachzugehn,

So flößt es Gott mir ein, mich aufzuraffen,
Und nur dem hohen Werke vorzustehn.

25
Dem Belisar vertraut’ ich meine Waffen,[3]

Und ihm verband des Himmels Rechte sich,
Zum Zeichen mir, ich soll’ in Ruhe schaffen.

28
Befriedigt hab’ ich nun im Ersten dich,[4]

  1. [10. Justinian, 527–565, hob die letzte Stütze des Heidenthums, die Schule des Proklus in Athen auf, gab das berühmte, geläuterte und vereinfachte Staatsrecht, dessen hohe Bedeutung D. in V. 11 und 12 auf die Analogie mit dem göttlichen Walten („der ersten Liebe“) zurückführt und wurde dem Einfluß der, durch seine Gemahlin Theodora begünstigten, monophysitischen Irrlehren durch Papst Agapet entzogen, V. 13–18.]
  2. [20. 21. Nach dem Gesetz vom ausgeschlossenen Dritten.]
  3. [25. Belisar vollbrachte die eine der beiden segensreichen Unternehmungen der Regierung Justinian’s, die Wiedereroberung des Abendlands, während er selbst in Ruhe zu Hause der andern, der Legislation, oblag]
  4. 28. Die erste Frage V. 127 des vorigen Gesanges war die: Wer der Selige sei? Justinian hat hierauf geantwortet. Aber der Dichter kann diese Gelegenheit nicht vorbeigehen lassen, ohne sich weiter über die Heiligkeit des römischen Reichs, das er in seinem Zeichen, dem Adler, darstellt, zu verbreiten. [Wir werden übrigens diesen Adler im Gestirn des Jupiter noch mehr verherrlicht wiederfinden, wo die Versammlung seiner gerechten Träger ist.]
Empfohlene Zitierweise:
Alighieri, Dante. Streckfuß, Karl (Übers.). Pfleiderer, Rudolf (Hrsg.): Die Göttliche Komödie. Leipzig: Reclam Verlag, 1876, Seite 429. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dante_-_Kom%C3%B6die_-_Streckfu%C3%9F_-_429.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)