Seite:Dante - Komödie - Streckfuß - 290.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Die andere den Weg zu Gott verklärt.

109
Verlöscht ward eine von der andern Scheine,

Und Schwert und Hirtenstab von einer Hand
Gefaßt im übel passenden Vereine.

112
Denn nicht mehr fürchten, wenn man sie verband,[1]

Sich Hirtenstab und Schwert – du kannst’s begreifen,
Denn an den Früchten wird der Baum erkannt.

115
Man sah im Land, das Etsch und Po durchstreifen,[2]

Eh’ man dem Kaiser Widerstand gethan,
Stets edle Sitt’ und Kraft und Tugend reifen.

118
Jetzt finden, die den Guten sich zu nahn

Und sie zu sprechen, sich erröthend scheuen,
In jenem Land vollkommen sichre Bahn.

121
Die alten Zeiten schelten dort die neuen

Noch durch drei Greise von der ächten Art,
Die, harrend, sich des nahen Todes freuen.

124
Konrad Pallazzo ist es und Gherard[3]

Und Guid’ Castel, der besser heißen würde
Nach fränk’scher Art: der ehrliche Lombard.

127
Roms Kirche fällt, weil sie die Doppelwürde,[4]

Die Doppelherrschaft jetzt in sich vermengt,


  1. 112. Hirtenstab und Schwert sind bestimmt, sich gegenseitig zu fürchten. Der Kaiser mit dem Schwerte soll den Papst abhalten, die Religion zur Einmischung in weltliche Dinge zu mißbrauchen; der Papst mit dem Hirtenstabe soll nicht gestatten, daß die inneren Angelegenheiten der Religion Gegenstand weltlichen Regiments werden. Sind beide in einer Hand, so ist der heilsame Zügel verschwunden, durch den sie gegenseitig sich in ihren Gränzen zurückhalten, oder dahin zurückweisen, wenn der eine oder andere Theil sie überschritten haben sollte.
  2. 115. Mit diesem Verse ist die Trevisaner Mark, die Lombardei und die Romagna bezeichnet. Bitterer konnte die allgemeine Verderbniß dieser Länder wohl nicht gerügt werden, als durch die Verse 118 – 120.
  3. 124–126. Von den hier benannten Männern wissen die Commentatoren nichts weiter zu berichten, als daß sie würdige alte Edelleute aus Brescia, Tervigi und Reggio waren, und daß Gerardo da Camino die provenzalischen Dichter verehrte und beschützte.
  4. 127. Roms Kirche, welche geistliche und weltliche Herrschaft auf sich genommen, stürzt unter der Last und besudelt sich selbst und das, was sie zu tragen zu schwach ist.
Empfohlene Zitierweise:
Alighieri, Dante. Streckfuß, Karl (Übers.). Pfleiderer, Rudolf (Hrsg.): Die Göttliche Komödie. Leipzig: Reclam Verlag, 1876, Seite 290. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dante_-_Kom%C3%B6die_-_Streckfu%C3%9F_-_290.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)