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Schwingungen. Um eine ebenso starke Vergrößerung, wie ich sie angewendet hatte, zur Beobachtung dieser Schwingungen zu erzielen, projizierte er das mit schwachem Objektiv gewonnene Bild sehr stark vergrößert auf einen Schirm und sah natürlich, wie er sich eigentlich schon im voraus hätte sagen können, keine Schwingungen[1]. – Daß eine nachträgliche Vergrößerung des Bildes ein stärkeres Objektiv nicht ersetzt, weiß jeder Mikroskopiker, und deshalb hätte man eine Widerlegung seiner Schrift kaum für nötig halten sollen, zumal da jeder, der sich im Besitze eines guten Mikroskopes befindet, meinen Versuch äußerst leicht wiederholen kann[2]. Allein Wagners Arbeit hat mehr Anklang gefunden als meine. Namentlich war es der dänische Zoologe H. J. Hansen, der Wagners Arbeit nennt, meine aber ignoriert[3]. – Auch in anatomischer Beziehung glaubte Wagner in meiner Arbeit einige Fehler entdeckt zu haben. – Ich hatte meine Zeichnungen, wie ich ausdrücklich hervorhob, nach Schnitten entworfen, die durch das Bein von Pachygnatha listeri geführt waren. Ich wählte gerade diese Gattung, weil bei ihr die Becher, in denen die Hörhaare stehen, besonders schön entwickelt sind. – Die Zeichnungen, welche Wagner von der Einlenkung verschiedener Hörhaare gibt, weichen nun tatsächlich stark von meiner Zeichnung ab, aber ebenso stark von meinem Präparat, wie ich mich nachträglich überzeugen konnte. Woher nun der Unterschied? Hatte Wagner vielleicht ein andres Tier vor sich? Darüber erfahren wir leider von ihm gar nichts, und deshalb ist auch eine Kritik seiner Arbeit nicht möglich. Nur indirekt können wir ein Urteil über den Grad der Zuverlässigkeit seiner Arbeit gewinnen. Einen Namen nennt er, nämlich Lycosa saccata. Er gibt an, daß diese Art im reifen Zustand auf dem Tarsus der Beine vier der fraglichen Sinneshaare besitze. Das ist unzutreffend. Nicht vier, sondern 10 bis


  1. Wagner gibt zwar seine Vergrößerung nicht an; da er aber eine ganze Serie von Haaren gleichzeitig auf den Schirm projizierte, kann seine Vergrößerung nur eine sehr geringe gewesen sein.
  2. Man braucht, nur eine der im Vorsommer überall bei Sonnenschein zahlreich umherlaufenden Wolfspinnen zu fangen, diese in einer Schachtel nach Hause zu nehmen, ihr dann ein Bein abzureißen, dieses frei auf einen Objekträger zu legen, bei hellem Tageslicht in einem ruhigen Zimmer unter 600facher Vergrößerung die Spitze eines der längeren, freibeweglichen Haare genau von der Seite zu beobachten und nun in nächster Nähe einen einfachen Ton, z. B. auf der g-Saite einer Mandoline hervorzubringen. Das Haar gerät in Schwingungen und hört sofort auf, wenn man den Ton abdämpft. – Eine kleine Schwierigkeit besteht nur darin, daß das Ende des beweglichen Haares bei der starken Vergrößerung leicht aus dem Focus entweicht. Man muß den Atem anhalten und tut am besten, den Ton in rascher Folge anzuschlagen und abzudämpfen. Da das Haar nicht nachschwingt, tritt namentlich beim Abdämpfen der Unterschied des Bildes klar hervor. – Nachdem das Blut geronnen ist – in einem Zimmer mit trockener Luft schon nach wenigen Minuten –, hört die Beweglichkeit des Haares auf.
  3. Entom. Meddel. Vol. 4. 1893. p. 137ff.
Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Dahl: Die Hörhaare (Trichobothrien) und das System der Spinnentiere. Wilhelm Engelmann, Leipzig 1911, Seite 524. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dahl_Trichobothrien_und_Systematik.djvu/3&oldid=- (Version vom 31.7.2018)