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gezogen; und jetzt schien sie, nach dem beiderseitigen Betragen zu urtheilen, fest entschlossen, auch der alten Dienerin der van der Roden’schen Familie diese verhaßte Geschichte vorzutragen.

Die Streitenden rührten sich bei unserer Ankunft in ihrem Eifer nicht von der Stelle, und da wir nach dem Flur zwischen beiden hindurch mußten, so nahm Anne Lene ihr Kleid zusammen, um nicht an das der Bettlerin zu streifen.

Aber diese vertrat ihr den Weg. „Ei, schöne Mamsell,“ sagte sie, indem sie einen tiefen Knix vor ihr machte und mit einer abscheulichen Koketterie ihre durchlöcherten Röcke schwenkte, „haben Sie keine Angst, meine Lumpen sind alle gewaschen! Freilich die seidenen Bändchen sind längst davon, und die Strümpfe, die hat Dein Großvater selig mir ausgezogen; aber wenn Dir die Schuhe noch gefällig sind?“

Und bei diesen Worten zog sie die Schlumpen von den nackten Füßen und schlug sie an einander, daß es klatschte. „Greif zu, Goldkind,“ rief sie, „greif zu! Es sind Bettelmannsschuhe, Du kannst sie bald gebrauchen.“

Anne Lene stand ihr völlig regungslos gegenüber;

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Theodor Storm: Auf dem Staatshof. Braunschweig: George Westermann, 1891, Seite 29. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DE_Storm_Auf_dem_Staatshof_29.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)