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wie es seit Jahrtausenden der Fall war, sich selbst helfe, indem sie die überflüssigen Menschen gleich jenen Seidenwürmern, die früher auskriechen, als die Maulbeerbäume Blätter getrieben haben, verhungern läßt, und man wußte doch auch kein Mittel, der Natur für den Fall einer ungehemmten Geburtsprogression die nöthige Fülle von Nährstoffen abzugewinnen. In dieser Verlegenheit nahm man seine Zuflucht zur Moralität der Menschen, zum moral restraint, zur moralischen Selbstbeschränkung: man appellirte an die Entsagung.

Wie man auch über den Werth der Entsagung denken mag, der Erfolg dieser Theorie hat wenigstens gezeigt, daß die Theoretiker wie immer im Abstracten stecken blieben und sich die Sache durch ihre rigorose Zumuthung nur leicht gemacht hatten. Die Menschen wurden trotz aller Ermahnungen keine Engel, und setzten nach wie vor mit größtem Leichtsinn Kinder in die Welt, Kinder, welche aus Mangel an Unterhaltungsmitteln nothwendig verkümmern und nach langsamer Verhungerung eines „natürlichen Todes“ sterben mußten.

Als man sah, daß die Entsagungslehre nicht durchschlug, und die Menschen wenig Geneigtheit zeigten, sich selbst Zwang anzuthun, dachte man daran, ihnen gegen ihren Willen Zwang anzuthun. Ohnehin waren schon unzählige Menschen, z. B. Soldaten, Gesellen, Dienstboten u.s.w. durch ihren Stand zur Ehelosigkeit genöthigt; es durfte daher nur dafür Sorge getragen werden, daß auch durch die Unehelichkeit keine überschüssige Volksvermehrung entstünde. Die Theoretiker fügten also zum moralischen Zwange – dem Malthus’schen moral restraint – den physischen Zwang hinzu. C. A. Weinhold ist der bekannteste dieser Theoretiker. Er ereiferte sich in den letzten zwanziger Jahren außerordentlich über die „Uebervölkerung in Mitteleuropa“ und war ehrlich und entschieden genug, um mit seinem unbarmherzigen Radicalmittel offen herauszurücken. Da