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den Andern, hier treibe ich mich. Der Liebevolle handelt um Gottes willen, um der Brüder willen u. s. w. und hat überhaupt keinen eigenen Willen: „nicht mein Wille, sondern dein Wille geschehe“ – das ist sein Wahlspruch; der Vernünftige will keinen andern Willen verwirklichen als den seinen, und achtet auch Denjenigen, der seinen eignen Willen hat, nicht den, der den Willen eines Andern befolgt. So hat die Liebe wohl Recht gegen die Selbstsucht, da es edler ist, den Willen eines Andern zu dem seinigen zu machen, und auszuführen, als willenlos von der durch irgend ein Ding angeregten Begierde gestachelt zu werden, edler, sich nach einem Andern zu bestimmen, als sich gar nicht zu bestimmen, sondern sich gehen zu lassen; gegen die Freiheit aber hat die Liebe nicht Recht, weil in der Freiheit erst die Selbstbestimmung zur Wahrheit wird. Die Liebe ist zwar die letzte und schönste Unterdrückung seiner selbst, die glorreichste Weise der Selbstvernichtung und Aufopferung, der wonnereichste Sieg über die Selbstsucht; aber indem sie den Eigenwillen bricht, der nur Eigensinn und Begierde heissen dürfte, lässt sie auch zugleich den Willen nicht aufkommen, der dem Menschen erst die Würde des freien Menschen verleiht. Darum müssen wir an der Liebe zweierlei unterscheiden. Gegen die Selbstsucht gehalten, feiert der Mensch in ihr seine Verherrlichung, denn der Liebevolle hat, wenn auch nicht seinen eigenen, so doch einen Willen, der Selbstsüchtige hat keinen; der Liebevolle übt eine Selbstbestimmung aus, weil er um des Andern willen etwas aus sich macht und sich in die diesem angemessene Form umbildet, der Selbstsüchtige kennt die Selbstbestimmung nicht und verharrt in seiner Rohheit, ohne in irgend einem Grade sein eigener Schöpfer zu werden; der Liebevolle ist ein Gebilde seiner selbst, indem er sich im Andern sucht und findet, der Selbstsüchtige ein Geschöpf der Natur, eine – Creatur, die sich nicht sucht noch findet.