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Verhältnissen und besonders Abschaffung bestehender Misbräuche herbeizuführen, ist jetzt auch bei den hiesigen jüdischen Einwohnern der Gedanke mit Entschiedenheit aufgetreten, ihrer Gemeindeverfassung eine zeitgemässe, dem Standpunkte der Aufklärung angemessene Umgestaltung zu verschaffen. Wie mangelhaft die Zusammensetzung des Vorstandes bis jetzt ist und wie weit dessen von aller Verantwortlichkeit freie Gewalt gehen kann, hat man bei seiner jüngsten Rabbinerwahl gesehen, Ich nenne diesen Actus euphemistisch „Wahl“; ob er aber diesen Namen verdiene, mag eine durch wenige Worte gegebene Uebersicht des dabei beobachteten Verfahrens zeigen. Was man nicht gethan hat, ist Folgendes: Man hat nicht die Gelehrten befragt, welche Candidaten auf die Wahlliste gesetzt werden sollen; man hat die Namen der eigenmächtig vorgeführten drei Candidaten nicht zur Kenntniss der Gemeinde gebracht; man hat die Gemeindeglieder gar nicht hören oder zur Wahl zulassen wollen; man hat keine Concurrenz eröffnet und hat endlich nicht einmal Probepredigten halten lassen. Dagegen hat man Folgendes gethan: Die beitragenden Mitglieder der Gemeinde, und zwar nur die beitragenden, wurden in drei Klassen getheilt: 1) in die meistbeitragende, 2) in die vielbeitragende, 3) in die mehr oder weniger beitragende. Die Namen einer jeden Klasse wurden in eine Urne gelegt, und dann aus jeder der beiden ersten Klassen elf, aus der dritten zehn Namen gelost; und diese gelosten oder gezogenen Herren sollten als Repräsentanten der ganzen Gemeinde im Jahr 1842 einen Oberrabbiner für Berlin wählen! Es bedarf weiter keines Wortes, um diesem Verfahren die Ehre des Namens „Wahl“ zu entziehen. Eines andern auffallenden Umstandes muss hierbei noch Erwähnung geschehen. Unter den Männern der ersten Klasse sind Namen, die man schwerlich auf der Liste erwartet hätte, da sie nur die Gräber ihrer Vorfahren noch im Judenthum haben, die Wiegen ihrer Nachkommen aber im

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Max Stirner: Max Stirner's Kleinere Schriften und Entgegnungen. , Berlin 1914, Seite 231. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DE_Stirner_Schriften_231.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)