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als sie muß, vergißt nichts, sobald sie den Zahltag bestimmen kann, und es ist bekannt, wie empfindlich Regierungen für die Ehre und das Wohl ihrer Unterthanen sind, wenn zu einem gewünschten Kriege die scheinbaren Rechtsgründe gesucht werden. Jedenfalls sollten die hier bezeichneten Übelstände die ganze Sorgfalt der höchsten Behörden in Anspruch nehmen, da unser glorwürdigstes Nationalinstitut, die Ehre unserer allgemeinen Waffenfähigkeit, wenn auch nur durch einzelne rohe Individuen compromittirt wird. Glücklicherweise ist die Abhülfe jetzt in Preußens Hand gegeben. Ohne einen starken militairischen Cordon kann nämlich Rußland sein doppeltes System nicht durchführen, und ohne Cartelconvention mit Preußen ist, wie die neuesten Erfahrungen lehren, ein solcher Cordon unmöglich. An demselben Tage, an welchem das alte Cartel ablief, begannen russische Soldaten zu uns bei Oletzko, Lyck etc. mit Waffen und Pferden zu desertiren, und nach den glaubwürdigsten Aussagen war ein ganzes Regiment in Auflösung begriffen. Leider wurden in Folge der provisorischen Verlängerung des Cartels mehre Soldaten ausgeliefert, von denen einige sofort erschossen wurden und einige unter Stockschlägen starben. Nach einem solchen, nur in Kriegszeiten zu rechtfertigenden Verfahren ist es dem Gewissen unserer wackern und loyalen Landräthe kaum zuzumuthen, die Cartelvorschrift, deren blutige Folgen sie vor Augen gesehen, ferner zu vollziehen, um so weniger, da sie überzeugt sein müssen, daß ihre auf Religion begründeten Scrupel mit der erhabenen Humanität unsers edelsten Monarchen übereinstimmen. Es darf ferner nicht außer Acht gelassen werden (und gestehen wir auch hiermit eine heimische Sünde ein), daß unsere Gendarmen und Bauern für das Einfangen solcher Deserteure russische Prämien empfangen und somit Menschenjagden veranstalten wie auf die wildesten Thiere. Durch diese Sachlage in unserm Innern aufs tiefste ergriffen und erschüttert, ersuchen

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Max Stirner: Max Stirner's Kleinere Schriften und Entgegnungen. , Berlin 1914, Seite 124. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DE_Stirner_Schriften_124.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)