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Angabe sehr bezweifeln müßten und ohnehin der Jammerruf über die „leeren Kirchen“ bald nachschallete. Zuvörderst jedoch heißt es in den Eingangsworten: „Es war eine gesegnete Frucht der schweren Drangsale, welche vor mehr als 30 Jahren unser Vaterland trafen, daß so viele Herzen dem Gott, der uns geschlagen hatte, sich zuwandten, damit er uns wieder heilen möchte.“ Der Gott, der uns geschlagen hatte, das war unser besseres Selbst, das über den Rhein herüberkam und unsere mattherzige Selbstsucht zerbrach; und wir wendeten uns ihm auch wieder zu, anfangs freilich in taumelnder Frömmigkeit, endlich aber — und Das ist die gesegnete Frucht der 30 Jahre, ja die wahrhaft gesegnete! mit bewußtem, männlichem Muthe. — Jetzt erst, da wir ihn nicht mehr bloß in den Kirchen suchen, haben wir ihn noch mehr zu unserem Freunde gemacht.

Weiter wird uns gesagt: „Darüber sind ohne Zweifel alle ernste, gewissenhafte Bewohner unserer Stadt und unseres Vaterlandes mit uns einverstanden: ein Volk, das die Gottesfurcht verläßt, und von dem Höchsten und Heiligsten, was es für die Menschen giebt, sich entfremdet, das ist auf dem Wege, auch die irdischen Segnungen wieder zu verlieren, deren es sich noch zu erfreuen hat.“ Wir, meine Lieben, sind ohne Zweifel auch ernste, gewissenhafte Leute, und viele auch Bewohner dieser Stadt und dieses Vaterlandes; allein sind wir damit einverstanden, daß die Gottesfurcht das Höchste und Heiligste sei? Fürchten mag sich, wer vor einem Furchtbaren im Staube kriecht; fürchten vor einem Mächtigen, wer nicht alle Macht über sich in sich selbst hat; wir fürchten uns so wenig als unsere Altvordern, von denen schon ein wackerer Römer sagte, daß sie sich gegen Götter und Menschen sicher wußten. Als Christen sollten wir schon gelernt haben, Gott nicht zu fürchten, sondern zu lieben. Allein sie wollen ja, daß er throne bloß außer und über uns, mit aller Macht und Majestät bekleidet, vor der ein ergebenes, nach Gnade

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Max Stirner: Gegenwort aus Max Stirner's Kleinere Schriften und Entgegnungen. Berlin 1914, Seite 36. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DE_Stirner_Schriften_036.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)