Ich bückte mich, zwängte mich durch das Mauerloch, ließ den Lichtkegel hin und her gleiten, stand wie versteinert …
Vor mir ein rundes Gewölbe … In der Mitte ein alter Richtblock, an den … ein Skelett ohne Kopf mit Ketten gefesselt war … Der Totenschädel lag neben dem Block, und an diesem lehnte ein verrostetes großes Richtbeil …
Der Greis umklammerte meinen Arm …
Ein Ächzen drang über seine Lippen …
„Herr Schraut … Herr Schraut …“
Er konnte sich kaum auf den Beinen halten …
„Aber Aarborg,“ meinte ich energisch, „Sie werden sich doch nicht von einem Gerippe ins Bockhorn jagen lassen!“
„Herr Schraut,“ meinte der alte Mann, „was … was wir hier gefunden haben, das … das ist die Bestätigung einer Sage, die sich an dieses fünfhundert Jahre alte Schloß knüpft … Einer der Besitzer von Gülderhall, ein Graf Gülderhall, soll seine Gattin wegen Untreue eigenhändig enthauptet haben … Und … und vielleicht ist dies hier …“
„Wir haben jetzt Wichtigeres vor, Aarborg … Kommen Sie …“
Ich schritt weiter …
Hinter mir flüsterte der Greis:
„Rache – – Vergeltung …! Ein Dämon, stärker als alle Vernunft …“
Ich achtete nicht darauf …
Eine Treppe führte aus dem Gewölbe an die Rückwand eines eingemauerten Schrankes …
Dann standen wir im Flur des Erdgeschosses des Hauptflügels. Durch hohe Bogenfenster leuchtete die Sonne herein, warf bunte Kringel auf die Läufer und die hellen Steinfliesen …
Standen und lauschten …
„Sie werden dort im kleinen Speisesaal sein,“ raunte der Alte mir ins Ohr … „Ich mußte ihnen zeigen, wo der Champagner liegt … Da – – hören Sie, Herr Schraut, – – da knallte soeben ein Sektkork …“
Max Schraut: Dämon Rache. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1926, Seite 50. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:D%C3%A4mon_Rache.pdf/50&oldid=- (Version vom 31.7.2018)