Nicolaus Copernicus, Adolf Müller (Übersetzer): Nicolai Coppernici de hypothesibus motuum coelestium a se constitutis commentariolus | |
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Angelpunkte;[1] sie scheinen am größten, wenn der Planet der Erde am nächsten, d. h. zur Zeit seines Abendaufganges.[2] Dann erreicht nämlich die Neigung der Bahnachse bei Saturn 22/3°, bei Jupiter 2°–1/3°, bei Mars 11/6°. Zur Zeit des Abenduntergangs hingegen und des Frühaufganges,[3] wo der Planet sich in seiner Erdferne befindet, wird die Neigung bei Saturn und Jupiter um 1/5° kleiner, bei Mars um 12/3°. Dieser Unterschied zeigt sich besonders bei größeren Breiten; indem er nämlich mit der Breite ab- und zunimmt, scheint er um so geringer, je näher der Planet seinem Knoten. Dazu kommt, daß auch die Bewegung der Erde in (der Ekliptik) ihrer Bahn eine scheinbare Aenderung in der Breite verursacht, indem sie nämlich durch ihre Annäherungen und Entfernungen die Breitenwinkel vergrößert oder verkleinert, wie dies ja mathematisch sein muß, da diese Schwankung sich in gerader Linie vollzieht. Es kann allerdings geschehen, daß diese Bewegung sich aus den Bewegungen zweier Sphären herausbilde.[4] Sind diese nämlich conzentrisch, so führt die eine die von dem eigenen abstehenden Pole der andern herum; dabei mag die innere die Pole des Tragkreises des Epicykel gegen die Bewegung der äußeren mit verdoppelter Geschwindigkeit zurückdrehen; dabei würden diese Pole von denen der unmittelbar höheren Sphäre so weit abstehen, als diese wiederum von denen der höchsten. Dies mag genügen über die außerhalb der Erde (Erdbahn) liegenden Bahnen der Planeten Saturn, Jupiter und Mars.
- ↑ Um das hier Gesagte zu verstehen, erinnere man sich, daß Coppernicus die sogenannte Kartenlinie (d. h. die Durchschnittslinie der Bahnebenen der Planeten mit der Ebene der Erdbahn) nicht in die Sonne verlegte, sondern in das Zentrum der Erdbahn; in Folge dessen schienen die Breiten des Planeten sonderbaren Schwankungen unterworfen, die eine Erklärung verlangten. Erschwert ward die Sache noch obendrein durch die irrtümlichen, auf Beobachtungsfehlern beruhenden Angaben älterer Astronomen. Die bezüglichen Auseinandersetzungen des Coppernicus haben nur mehr geschichtlichen Wert. –
- ↑ Geht der Planet auf zur Zeit des Sonnenunterganges, so befindet er sich in „Opposition.“
- ↑ Also zur Zeit der Conjunktion.
- ↑ Vgl. Anm. S. 39.
Nicolaus Copernicus, Adolf Müller (Übersetzer): Nicolai Coppernici de hypothesibus motuum coelestium a se constitutis commentariolus. J. A. Wichert, Braunsberg 1899, Seite 377. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Commentariolus_1899_German_Translation_Adolf_M%C3%BCller.djvu/19&oldid=- (Version vom 31.7.2018)