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Johann Christian August Clarus: Die Zurechnungsfähigkeit des Mörders Johann Christian Woyzeck [1821].
In: Georg Büchner, Sämtliche Werke und Briefe (Hamburger Ausgabe), Hrsg. von Werner R. Lehmann, 1. Band: Dichtungen und Übersetzungen mit Dokumentationen zur Stoffgeschichte, Hamburg 1967.

aber doch so, daß er sie wirklich habe hören können. Uebrigens versicherte er zu wiederholten Malen, er habe diese Stimme immer nur mit dem rechten Ohre gehört. Gewöhnlich sey es ihm gewesen, als ob Jemand auf seiner rechten Seite neben ihm gehe und ihm zuflüstere. Zuweilen habe es ihm aber auch geschienen, als ob die Stimme in einer Entfernung von sechs Schritten, jedoch immer mehr auf der rechten Seite, sich vernehmen lasse. Blos wenn mehrere Stimmen untereinander gesprochen hätten, habe er nicht genau unterscheiden können, ob er sie blos mit dem rechten Ohre, oder mit beiden zugleich höre. Nach dem Vorfalle, der ihn veranlaßt habe, einige Nächte in Haasens Stube zuzubringen, sey ihm eine Zeitlang recht wohl gewesen. Doch erinnere er sich, daß ihn einmal, als ihn die Woostin bestellt, und er gesehen habe, daß sie ihn für den Narren halten wollen, worüber er sich geärgert, das Herz den ganzen Tag dermaßen geschlagen habe, daß er nichts mehr habe arbeiten können. Schon früher, als er mit den Mecklenburgern vor Lübeck gestanden, sey er einmal in einem Anfall von Unmuth ganz nahe daran gewesen, sich zu erschießen, und habe schon sein Gewehr geladen, und einen Bindfaden an dem Hahn befestigt gehabt, um mit dem Fuße loszudrücken, als im selbigen Augenblicke, wegen eines Ausfalls, den die Franzosen gemacht, Generalmarsch geschlagen und er hierdurch verhindert worden sey. In dem Sommer, wo er bei Haasens gewohnt, habe ihn der Gedanke an Selbstmord auch immer verfolgt, und er habe, als er einmal Baden gegangen sey, die Stimme gehört: Spring ins Wasser, spring ins Wasser!

Die hier beschriebenen Beängstigungen und Beunruhigungen durch Stimmen hätten übrigens zur Zeit seines Aufenthalts bei Haasen ihren höchsten Grad erreicht, und sich nachher allmählich beruhigt und vermindert.

Seine Eifersucht gegen die Woostin schreibe sich von der Zeit her, wo er bei dem Stadtsoldaten Pfeiffer gewohnt habe. Als in Gohlis die Kirmse gewesen, habe er Abends im Bette gelegen und an die Woostin gedacht, daß diese wohl dort mit einem anderen zu Tanze seyn könne. Da sey es ihm ganz eigen gewesen, als ob er die Tanzmusik, Violinen und Bässe durcheinander, höre, und dazu im Takte die Worte: Immer drauf, immer drauf! Kurz vorher habe ihm von Musikanten geträumt, und das habe ihm immer was übles bedeutet. Am andern Tage habe er gehört, daß die Woostin wirklich mit einem andern in Gohlis gewesen sey und sich lustig gemacht habe!

6) In Ansehung der Ereignisse von der Neujahrs- bis zur Ostermesse des Jahres 1821, ingleichen der Vergehungen, die er sich während dieser Zeit zu verschiedenen Malen gegen die Woostin erlaubt hat, blieb er ganz bei seinen in den Verhören erstatteten Aussagen stehen, und versicherte, daß er zu denselben blos durch Eifersucht, wozu ihm diese

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Johann Christian August Clarus: Die Zurechnungsfähigkeit des Mörders Johann Christian Woyzeck [1821]. In: Georg Büchner, Sämtliche Werke und Briefe (Hamburger Ausgabe), Hrsg. von Werner R. Lehmann, 1. Band: Dichtungen und Übersetzungen mit Dokumentationen zur Stoffgeschichte. Hamburg: Wegner, 1967, Seite 514. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Clarus-Gutachten_514.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)