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wider den heiligen Geist begangen haben, dass ihr Wurm nie sterben, ihr Feuer nie erlöschen werde.

Eine so grossartige Conception und aus so alter Zeit beglaubigt (denn auch die etwaigen Zusätze gehen nach dem Zugeständniss der skeptischesten Ausleger bis in die Zeiten des Exils zurück), verdient wohl auch eine grossartige Auffassung und nicht die kleinliche, welche sie so oft gefunden hat, und die so weit geht, dass man über den Propheten glaubt spotten zu müssen, weil Tyrus erst viel später untergegangen, als er glauben zu machen schien, und weil Damascus, das er untergehen lässt, noch gar nicht untergegangen ist.

Die Wiedergeburt soll sich nicht blos auf die Juden beziehen, sondern auf alle Völker ausdehnen. Dieser Umstand allein schon beweist, dass der Prophet, ohne noch etwas von Christo zu wissen, doch schon eine allgemein sittliche Weltreligion ahnte, die mehr als das Judenthum seyn würde. Der Herr sieht nicht auf äussere Formen, sondern auf die innere Gesinnung, nicht auf Ceremonien, sondern auf edle Handlungen. Der Herr ist nicht Vater der Juden allein, sondern aller Völker, und wer verachtet und ehrlos hier erscheint, ist in Gottes Augen nichts destoweniger gerechtfertigt. Der Heide soll Gnade finden, wie der Jude. Der Verschnittene soll gleich geachtet seyn dem Patriarchen. Die Unfruchtbare soll mehr Kinder haben, als die Fruchtbare (Kap. 54.). Das alles sind christliche, nicht mehr jüdische Ideen.

Die Weissagung des Jesaias deutet aber auch unmittelbar auf Christum hin, denn er verkündigt einen Messias aus dem Geschlechte Isais (der Davids Vater war), Kap. 11 Vers 1; der von einer Jungfrau geboren werden soll, Kap. 7 Vers 14; den die Könige anbeten sollen, Kap. 52 Vers 15; der auf sich nehmen soll aller Menschen Schmerzen, Kap. 53 Vers 4. Das ist sehr deutlich gesprochen. Gleichwohl haben viele rationalistische Erklärer die grossartige Ahnung in dieser Prophezeihung übersehen und bei dem verkündigten Messias nur an einen Judenkönig, wohl gar an einen Sohn des Hiskia selbst, gedacht. Wenn die Juden allerdings ihren Messias

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Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Erster Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 442. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_I_442.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)